Greenspan: „Rezessions-Gefahr steigt“

AP
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Der frühere Notenbankchef warnt die US-Regierung eindringlich davor, in den Hypothekenmarkt einzugreifen.

WASHINGTON. Alan Greenspan, langjähriger Chef der US-Notenbank „Fed“ und Grandseigneur der internationalen Geldpolitik, warnt vor einer Rezession in den USA. In einem Interview gegenüber dem Fernsehsender ABC meinte Greenspan: „Die Wahrscheinlichkeit einer Rezession hat sich bis auf 50 Prozent gesteigert.“ Trotzdem glaubt er an die Stärke der amerikanischen Wirtschaft. Denn es sei bemerkenswert, dass bei der gegenwärtigen, „außerordentlichen Kreditkrise“ die Wahrscheinlichkeit einer Rezession nicht schon bei 60 oder 70 Prozent liege.

Gleichzeitig sprach Greenspan von beginnenden Anzeichen einer „Stagflation“. Zur Stagnation der amerikanischen Wirtschaft komme die wachsende Inflation. Diese zeige sich unter anderem in steigenden Preisen für chinesische Importe. Um dieser Entwicklung entgegen zu wirken, verlangt er die Unabhängigkeit der Notenbank vor politischer Einflussnahme: „Die Notenbank hat die Macht diese negativen Kräfte abzuwehren. Aber sie muss frei sein zu handeln.“

Markt soll Kreditkrise lösen

Und indirekt empfiehlt Greenspan seinem Nachfolger Ben Bernanke, keine weiteren Zinssenkungen vorzunehmen. „Eine niedrige Inflation ist der Schlüssel zu Wirtschaftswachstum. Deshalb muss die Notenbank die Inflation bremsen.“ Und das müsse sie über vergleichsweise hohe Zinsen machen, um so Geld aus dem Umlauf zu nehmen.

Zur Hypothekenkrise sagte Greenspan, dass er erst mit einer Stabilisierung des Markts rechne, wenn das Überangebot an Einfamilienhäusern mit entsprechendem Tempo abgebaut werde. Eingriffe in die Marktentwicklung – wie eine gesetzliche Fixierung von Immobilienpreisen – lehnt er ab: „Erst wenn sich der Markt in seiner Abwärtsentwicklung verausgabt hat, kann es wieder einen Aufschwung geben. Jeder Versuch in diesen Prozess einzugreifen, verlängert nur die Agonie.“

Den insolventen Hausbesitzern solle man durch staatliche Zuwendungen helfen: „Die Regierung hat Geld, und das sollte sie im nötigen Maß dafür verwenden.“ Dass das den Haushalt belaste, beunruhigt Greenspan nicht: „Für die Wirtschaft sind Budgetprobleme wesentlich weniger schädlich, als wenn man versucht, die Immobilienpreise oder die Zinsen für Hypothekarkredite festzusetzen. Man muss den Menschen helfen, ohne in die Marktstrukturen einzugreifen.“

Krise könnte sich ausweiten

Durch die dramatischen Wertverluste können viele Einfamilienhausbesitzer ihre Kredite nicht weiter mit ihrer Immobilie abdecken. Greenspan sagte, dass es weltweit insgesamt rund 900 Mrd. Dollar an so genannten zweitklassigen Hypothekarkrediten gebe. 200 bis 400 Mrd. Dollar davon seien faule Kredite, die wahrscheinlich nicht bezahlt werden können.

Diese Summe für sich genommen wirke schon dramatisch. Aber darüber hinaus müsse man bedenken, dass der gesamte, globale Finanzmarkt, der laut Greenspan mittlerweile ein Volumen von rund 100 Billionen Dollar umfasst, von dieser Krise mitgerissen werden könnte: „Wir müssen die Kreditkrise in Kontext zu dem Schaden stellen, den sie im gesamten System anrichten könnte.“

AUF EINEN BLICK

Der frühere US-Notenbankchef Alan Greenspan schätzt die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den USA auf 50:50. Die Krise am Immobilienmarkt sei aber nicht mit Eingriffen des Staates zu bewältigen. Der Markt müsse sich selbst bereinigen, so Greenspan. Der Staat könne aber notleidende Immobilienbesitzer mit Geld unterstützen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2007)

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