Finanzkrise: Schwerer Kurssturz an der Börse

(c) Reuters (Issei Kato)
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Die Blitzaktion der US-Notenbank verschärft die Ängste vor einer Rezession. Erstmals seit 30 Jahren wurde der Diskontsatz um 25 Basispunkte auf 3,25 Prozent gesenkt.

New York/Wien (eid/ag.). Der „schwarze Montag“ begann eigentlich schon am Sonntag: Knapp vor Mitternacht goss die US-Bank JP Morgan mit der Meldung, sie kaufe die angeschlagene Konkurrentin Bear Stearns um zwei Dollar je Aktie, Öl ins Feuer. Wenige Minuten später trat die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) zur Löschaktion an: Erstmals seit 30 Jahren stiegen die Banker an einem Sonntag auf die Notbremse und senkten außerplanmäßig den Diskontsatz um 25 Basispunkte auf 3,25 Prozent.

Die Fed dreht ihren Geldhahn weiter auf, um großen Finanzinstituten frisches zur Verfügung zu stellen. Auch die Übernahme von Bear Stearns wird von der Fed mitfinanziert. Allerdings ist die jüngste Finanzspritze der Fed von nicht weniger als 200 Mrd. Dollar erst eine Woche her – und sie ist nahezu verpufft. Weshalb selbst die abgebrühtesten Börsianer zusehends ihr Pokerface verlieren – die Angst, dass es zu einem „Meltdown“, einem Finanz-Supergau wie 1929, kommen könnte, ist nicht nur ein Alptraum. Und so stürzten am Montag die Aktienkurse rund um den Globus ins Minus: Der Nikkei 225 (Tokio) verlor 3,7 Prozent, der Hang Seng (Singapur) 5,18 Prozent, der Swiss Market Index lag kurz vor Handelsschluss mit 4,53 Prozent im Minus, der DAX mit 3,78 Prozent, der ATX mit 4,66 Prozent.

Gleichzeitig befand sich auch der Dollar im freien Fall – und der Euro erreichte einen neuen Höchststand von 1,5904 Dollar. Besonders schwarz sieht Ex-Fed-Chef Alan Greenspan die Lage. Seit Wochen warnt er vor einer Finanzkrise. Am Montag meinte er in einem Beitrag für die „Financial Times“ gar, dass die diese „im Nachhinein wahrscheinlich als schlimmste seit Ende des zweiten Weltkriegs bewertet werden wird“.

USA braucht schwachen Dollar

Experten, die sich bisher in Zurückhaltung übten, zeigten an diesem Montag erstmals Nervosität: Der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, warnte vor einer Verschärfung der Finanzkrise. Bisher hätten die Zentralbanken das Liquiditätsproblem im Griff – noch glaube er nicht, dass sich die Zentralbanken zusammentun und einschreiten müssten.

Österreichs Notenbank-Gouverneur Klaus Liebscher glaubt ebenfalls, dass die Märkte heuer noch lange von der Finanzkrise geprägt sein würden. Mehr sorgt sich Liebscher allerdings über die „exzessive Volatilität“ des US-Dollar. Wobei Experten zu bedenken geben, dass das Lamento über den hohen Euro nur in Europa stattfindet: Gerade in einer (drohenden) Rezession komme der weltgrößten Volkswirtschaft der schwache Dollar zupass, weil er die Exporte ankurble und eine Mauer gegen ausländische Anbieter bilde. „Warum soll die Fed also in diese Richtung eingreifen?“, meint Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.

Die Woche der Wahrheit hat jedoch erst begonnen. Nachdem Bear Stearns die Veröffentlichung der Quartalszahlen wegen der Übernahme durch JP Morgan verschoben hat, wird es heute wieder spannend: Goldman Sachs und Lehman Brothers sind mit der Bekanntgabe ihrer Zahlen dran, am Mittwoch folgt Morgan Stanley.

Der Dienstag hat es aber noch aus einem anderen Grund in sich: Am Abend trifft sich der Offenmarktausschuss der Fed zu seiner planmäßigen Sitzung: Und es wird allgemein erwartet, dass ihr Boss Ben Bernanke die Zinsen weiter senkt – wahrscheinlich sogar um einen Prozentpunkt.

AUF EINEN BLICK

DieBlitzaktion von JP Morgen für den angeschlagenen Konkurrenten Bear Stearns zum Schnäppchenpreis und die außertourliche Zinssenkung der Fed haben die Nervosität an den Finanzmärkten deutlich gesteigert. Die Angst vor einem Supergau wird immer größer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2008)

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