Cloud Computing: Die „Emanzipation“ vom Staat

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In der digitalen Welt erstellen private Unternehmen die Infrastruktur. Die Cloud besteht eigentlich nur aus drei Anbietern. Die Frage nach dem Verhältnis von Staat, Bürger und Privatwirtschaft muss neu verhandelt werden.

In der analogen Welt kümmert sich der Staat um die Infrastruktur seiner Bürger, und hebt dafür Steuern und Abgaben ein. Er baut davon Kanalisation, Stromnetze und Straßen, die jeder Bürger unabhängig seines sozialen Status oder seiner finanziellen Potenz nutzen kann. Im digitalen Orbit übernehmen diese Rolle zunehmend andere, hier sorgen private Konzerne für das Grundgerüst. Das Unterwasserkabel TAT-14, das Europa mit Nordamerika verbindet, haben immerhin noch 50 Telekommunikationsunternehmen gemeinsam gebaut. Die Cloud besteht im Grunde nur mehr aus drei Anbietern: einem sehr großen, Amazon Web Services, und kleineren Wolken von Microsoft und Google. „Es findet eine Verschiebung in Richtung privat, eine Privatisierung von Gemeingut statt, die kaum jemand mitbekommt“, sagt Nikolaus Forgó, Professor für Technologie- und Immaterialgüterrecht am Juridicum in Wien.

Den Epochenwandel verschlafen

Die Politik hat den Epochenwandel vollkommen verschlafen und damit die Möglichkeit eigene Rahmenbedingungen - eigentlich das Grundprinzip staatlicher Ordnung - durchzusetzen. Das Steuergebaren der großen Tech-Konzerne, die ihre Gewinne kaum in Europa versteuern, dieses legale Katz-und-Maus-Spiel zeigt auf, wie schwer sich global agierende Unternehmen selbst von einem Staatenverbund wie der EU fassen lassen.  „Eine gewisse Tendenz der Plattformunternehmen, sich vom Nationalstaat zu emanzipieren, beziehungsweise sich zulasten des Nationalstaates zu entwickeln“, nennt das Ayad Al-Ani, Professor am Institut für Internet und Gesellschaft an der Humboldt-Universität in Berlin.  Und: „Heute schon müssen die Geheimdienste diese Unternehmen auffordern, Daten, die sie nicht mehr selbst generieren können, zu übergeben. Das Investitionsvolumen dieser Organisationen in Künstliche Intelligenz etwa ist um ein Vielfaches höher, als das des Staates.“

Europa zehn Jahr zu spät

Diese „Emanzipation“ vom Nationalstaat treiben vor allem amerikanische Unternehmen voran.  Europa kann diesen Plattformen wenig eigene Alternativen gegenüberstellen. 2015 hat die deutsche Telekom zwar den Aufbau einer europäischen Cloud begonnen. Mit einem angepeilten Umsatz von zwei Milliarden Euro 2018 tut sie Amazon Web Services aber nicht besonders weh. „Die Europäer sind zehn Jahre zu spät dran, die Abstimmung der Kunden, haben längst die Amerikaner gewonnen“, sagt Universitätsprofessor Forgó.

Größenwahn oder Realismus?

Die Digitalisierung konfiguriert die Welt neu. Wir haben bereits begonnen anders miteinander zu sprechen, zu wirtschaften, anders Mensch zu sein, als es noch unsere Elterngeneration war. Die dramatischen Umbrüche in der Kommunikation und in der Industrie, all die Smartphones, die selbstfahrenden Autos, die denkenden Kühlschränke und Kraftwerke im Netz, sind nur Vorboten der Zukunft. Geht es nach Experten, stecken maschinelles Lernen, Künstliche Intelligenz und das Internet der Dinge erst in den Kinderschuhen. Und Amazon Web Services-Chef Andy Jassy lässt keinen Zweifel daran, wen er an als Motor der weiteren Ausbaustufen sieht, wer in Zukunft all die Datenströme verarbeiten soll. Der Leitgedanke seines Unternehmens bestehe darin, die technische Infrastruktur für alles bereit zu stellen, was Softwareentwickler und Unternehmen nur zu denken wagen, sagte er gegenüber Bloomberg. Man kann das größenwahnsinnig nennen. Oder eine realistische Einschätzung in das eigene Potential.

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