Wie Roboter in der Industrie Arbeitsplätze sichern

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Digitale Lösungen und Robotik verhelfen der Industrie zu Wachstum. Die Folge: Die Betriebe suchen verstärkt Mitarbeiter.

„Der Einsatz von Robotik ist der Schlüssel, um zukünftig Arbeitsplätze am Standort zu schaffen und zu erhalten", sagt Armin Rau, Geschäftsführer der Trumpf Maschinen Austria GmbH + Co. KG. Seine Erklärung für diese paradox anmutende Aussage: Roboter in der Produktion würden ermöglichen, dass eine Person mehrere Maschinen bedient, dadurch könne das Unternehmen mehr produzieren und folglich wachsen. Im Geschäftsjahr 2017/2018 erzielte Trumpf ein Fünftel mehr Umsatz als im vorigen Geschäftsjahr. „So können wir auch mehr Mitarbeiter beschäftigen", sagt Rau. Vor allem höherqualifizierte Mitarbeiter. Denn während Arbeitsschritte wie das Bestücken von Maschinen durch den Einsatz von Robotik obsolet werden, braucht das Handling der Roboter selbst qualifizierte Fachkräfte. Allein im Vorjahr hat Trumpf in Österreich 65 Mitarbeiter neu eingestellt.

Seit mittlerweile vier Jahren macht das Unternehmen sowohl die Maschinen für seine Kunden als auch seine eigene Produktion mit Industrie 4.0 zukunftsfit: Die Maschinen und Werkstücke kommunizieren digital über Datenschnittstellen miteinander. So sind die einzelnen Auftragsteile etwa mit Anweisungen zu ihrer Bearbeitung in Form von 3-D-Codes versehen. Darüber hinaus wird jedes Einzelteil mit einem Marker versehen, über den es exakt geortet werden kann. „Damit optimieren wir die Logistik", berichtet der Geschäftsführer. Alle Informationen über die Produktion - die Auslastung und Verfügbarkeit einer Maschine, anstehender Wartungsbedarf oder sonstige Probleme - laufen im Produktionsleitsystem zusammen, wo sie dann per Tablet oder Handy kontrolliert und gesteuert werden. „Dadurch schafft man Transparenz über die ganze Produktion und kann die Abläufe und die Verfügbarkeit von Maschinen optimieren", sagt Rau. Seine Erwartungen in die Industrie 4.0 sind groß: Für die nächsten vier bis fünf Jahre geht er von einer Produktivitätssteigerung und einer Verkürzung der Durchlaufzeit von jeweils 30 bis 50 Prozent aus.

Kooperation mit Maschinen
Produktionssteigerung durch Industrie 4.0 erhofft sich auch das auf Schließ- und Zutrittssysteme spezialisierte Familienunternehmen EVVA. Ein eigener Konzernbereich widmet sich seit dem Vorjahr der Digitalisierung der Produkte als auch der unternehmensinternen Abläufe. „Digitalisierung hilft uns, flexibler, termintreuer, fehlerfreier und damit effizienter zu werden“, sagt Michael Kiel, Konzernbereichsleiter für Operations bei EVVA. „Sämtliche Prozesse – vom Lieferschein über die Auftragsbestellung und Produktion – sind als digitaler Zwilling erfasst.“ Mit Lieferanten und Kunden kommuniziert das Unternehmen über Online-Portale, die Auftragserfüllung kann jederzeit anhand von Echtzeitinfos digital kontrolliert und verändert werden. „Während die Produktion vor fünf Jahren mehr auf Zuruf und Trouble Shooting ausgerichtet war, läuft jetzt digital alles viel geordneter ab“, berichtet Kiel.

(c) Harry Zdera

Schlüssel zu mehr Wachstum
Der zweite Schlüssel zu mehr Wachstum ist für EVVA die Robotik. Derzeit befinden sich zehn Roboter im Unternehmen im Einsatz. Sie arbeiten in der Montage mit den 200 Produktionsmitarbeitern zusammen, übergeben und verpacken Teile. In den kommenden drei Jahren sollen doppelt so viele Roboter die Herstellung der Zutrittssysteme unterstützen. „Wachstum in der Serienfertigung können wir nur über Automatisierung lösen“, erklärt Kiel.

Der Einsatz von Robotern heiße aber nicht, dass Mitarbeiter ihren Platz räumen müssten, betont er, „vielmehr wird sich die menschliche Arbeit auf qualifiziertere Tätigkeiten konzentrieren“. Insbesondere die Speziallösungen seien sehr personalintensiv. Der Konzernbereichsleiter glaubt daher, dass die Mitarbeiterzahl von derzeit insgesamt 460 auch langfristig auf gleichem Niveau bleiben wird.

Verbesserungen für Mitarbeiter
Beim Maschinen- und Anlagenbauer Fill in Gurten ist Robotik kein Thema. Digitalisierung spielt bei dem auf Sondermaschinen spezialisierten Unternehmen aber in anderen Bereichen eine Rolle: Vor circa vier Jahren hat Fill auf virtuelle Programmierung umgestellt: „Sobald wir einen Auftrag erhalten, beginnen wir mit der Konstruktion der Anlage. Fast zeitgleich startet der Softwaretechniker mit der virtuellen Programmierung. Dadurch können wir die Durchlaufzeit je nach Projekt um zehn bis 20 Prozent reduzieren", so Geschäftsführer Wolfgang Rathner. Auch die Schulung für die Anwendung der Maschinen wird bei Fill in Zukunft in der Phase der Inbetriebnahme virtuell ablaufen. Rathner erwartet sich davon eine bessere Qualität der Schulungsmaßnahmen sowie Zeiteinsparung, weil die Mitarbeiter weniger Zeit am Kundenstandort verbringen.

Durch die Digitalisierung sind bei Fill auch neue Arbeitsplätze entstanden. So etwa in einer eigenen Abteilung, die sich mit Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz befasst. Bisher sind hier zehn Hochsprachenprogrammierer im Einsatz, „das wird aufgestockt", kündigt der Geschäftsführer an. Erhöht werden soll auch die Zahl der Softwaretechniker von derzeit 110 auf bis zu 150 in den nächsten drei Jahren. „Das digitale Zeitalter eilt uns voraus“, sagt Rathner.

Mehr Output, mehr Jobs
Auch Kurt Hofstädter, Leiter Digital Factory CCE bei Siemens AG Österreich, teilt die Sorge nicht, dass Industrie 4.0 und Robotik Arbeitsplätze vernichten. Rund 10.300 Mitarbeiter zählt der Technologiekonzern hierzulande. „Die Digitalisierung führt zu einer enormen Produktionssteigerung, wodurch wiederum deutlich mehr Jobs geschaffen werden, sowohl in neuen Bereichen wie in der Entwicklung von Cloudlösungen und Lösungen mit Künstlicher Intelligenz als auch in klassischen Bereichen wie im Werkzeugmaschinenbau“, sagt Hofstädter.

Als Beispiel führt er das volldigitalisierte Siemens-Elektronikwerk im deutschen Amberg an: Die dortige Produktion von Steuerungselementen läuft zu 75 Prozent über Maschinen und Roboter – angefangen vom Wareneingang bis zur Fertigung. „Heute sind im Elektronikwerk rund 1.000 Mitarbeiter beschäftigt, so viele wie vor 25 Jahren. Dafür ist der Output dank der Digitalisierung zehn Mal so hoch wie damals. Auch die Fehleranfälligkeit wurde drastisch reduziert, auf zwölf Fehler pro Million produzierter Stück. Die Arbeitsplätze kommen zurück, weil man kostengünstiger produzieren kann“, erzählt Hofstädter. Die menschliche Arbeitskraft bleibt somit unerlässlich. „Wir können den Bedarf aus der Industrie momentan gar nicht decken und suchen alleine in Österreich mehr als 100 Techniker und Technikerinnen. Die Qualität in der Ausbildung ist da, aber die Quantität nicht.“ Für den Leiter der Digital Factory bei Siemens hat die Digitalisierung der Industrie vor allem in einer Hinsicht große Auswirkung auf die Arbeitsprozesse: Sie erfordert eine intensive Zusammenarbeit mehrerer Bereiche. „Softwarespezialisten, Cloudexperten und Experten für Künstliche Intelligenz müssen mit Werkzeugmaschinenspezialisten kooperieren, damit der Output nicht additiv, sondern multiplikativ ist“, so Hofstädter.

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