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Österreichische Developer: Von „Hacker“-Partys zu Millionendeals

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Open Source hat in Österreich Tradition und eine vernetzte Szene. Von den Anfängen bis zu den international erfolgreichen Projekten.

In den frühen Stunden fristete die Bewegung für offene Software in Österreich ein Nischendasein. „Ende der 1990er-Jahre war Open Source für viele noch Raketenwissenschaft“, sagt Christian Jeitler, ein Mitveranstalter der heimischen Linuxwochen. Es gab erste Veranstaltungen, sogenannte „Install-Partys“, wo einige Hundert Teilnehmer, meist Programmierer, die sich im positiven Sinn oft auch „Hacker“ nennen, mit Laptops an Projekten rund um Open Source arbeiteten. Man hätte sich auf Pionierpfaden bewegt und viel mit Linux experimentiert, damals auch noch mit der Hoffnung auf ein neues, offenes Betriebssystem für Privatanwender, so Jeitler.
Dieser Wunsch ist noch nicht in Erfüllung gegangen – Linux wird heute vor allem für Server und im Unternehmensbereich angewendet. Und dennoch: Open Source ist heute auch hierzulande nicht mehr wegzudenken. Im Jahr 2001 haben die ersten Linuxtage in Österreich stattgefunden und im Jahr darauf veranstaltete die Open-Source-Community zum ersten Mal die Linuxwochen. Seit 2005 organisiert ein Verein die Veranstaltungsreihe, bei der regionale Nutzergruppen aus dem Open-Source-Bereich eine tragende Rolle spielen – etwa der Verein Quintessenz, der sich für digitale Selbstbestimmung und Datenschutz einsetzt. Nutzergruppen in den Bundesländern veranstalten lokale Events.

Aktive Szene in Österreich

In Österreich gibt es weiterhin eine aktive Szene von Entwicklern, die sich an Open-Source-Projekten beteiligt und über Vereine, Netzwerke und Usergroups verdrahtet ist. Zu den frühen Initiativen zählt etwa Fairkom, ein Zusammenschluss von IT-Experten, der sich auf Cloud-Services, Softwareentwicklung, Social Design und Ressourcen spezialisiert. Das Netzwerk geht auf das Jahr 1994 zurück, lancierte eine Reihe von Medienprojekten, unter anderem in Verbindung mit den Freien Radios, und setzte früh auf Open-Source-Software. Wichtiger Bestandteil der heimischen Szene sind regelmäßige Veranstaltungen, sogenannte Meetups. Eine Gruppe für den Austausch zum Thema Angular – eine Open-Source-Software für die Entwicklung von Web-Applikationen – zählt fast 2000 Mitglieder und richtet sich auch an Anfänger in dem Bereich. Drupal Austria ist ein Verein für die Förderung von Open-Source-CMS, also Systeme zum Verwalten von digitalen Inhalten, der seit 2009 besteht und monatliche Meetups veranstaltet. Dazu kommt eine Vielzahl von kleineren Vereinen und Initiativen, die sich Open-Source-Themen wie Linux, Joomla, Python, Symfony oder WordPress widmen.

Internationales Aufsehen

Auch im internationalen Umfeld sind österreichische Open-Source-Developer immer wieder federführend. So etwa beim Projekt MyFaces, ein Tool, das bei der Entwicklung von Web-Applikationen zum Einsatz kommt und über die renommierte Open-Source-Schmiede Apache Software Foundation realisiert wurde. Auf der Entwicklerplattform GitHub hat MyFaces rund 3000 Nutzer und zählt zwei Dutzend Contributors, also Personen, die sich an der Entwicklung aktiv beteiligen.
In Entwicklerkreisen machte sich Anfang dieses Jahres ein heimisches Start-up rund um das exklusive soziale Netzwerk Clubhouse einen Namen. Drei Unternehmer entwickelten eine auf Open-Source-Code basierende Alternative namens Jam, die auf mehreren Betriebssystemen läuft und nicht nur auf dem Apple-Ios wie bei Clubhouse, das außerdem nur per Einladung zugänglich ist.

Das Salzburger Start-up Pimcore landete 2018 wiederum eine größere Investition im österreichischen Markt, als sich die deutsche Beteiligungsgesellschaft Auctus Capital mit 3,5 Millionen Euro beteiligte. Das Unternehmen hat eine Open-Source-Plattform für Daten- und Kundenmanagement aufgebaut und zählt laut Branchen-Portal derbrutkasten.com Audi, Burger King und Intersport zu seinen Kunden. 

Cloud-Erfolg beginnt in Linz

Mit einem neuen Produkt zapft auch die in Österreich verwurzelte und seit 2019 in New York börsennotierte Software-Schmiede Dynatrace die Open-Source-Community an. Das Unternehmen mit einem Firmenwert von etwa 20 Milliarden Dollar entwickelt eine Software namens Keptn, mit der wiederholbare Prozesse in Cloud-Systemen automatisiert werden können, etwa die Freigabe von Updates oder neue Services. Dynatrace arbeitet dabei mit über 50 Entwicklern und Experten in der Cloud Native Computing Foundation (CNCF) zusammen, eine internationale Plattform für Open-Source-Cloud-Technologien. Keptn komme etwa schon im Bankenumfeld zum Einsatz, wo Aspekte wie Innovation und Sicherheit bei digitalen Dienstleistungen immer wichtigere Wettbewerbsfaktoren werden, sagt Alois Reitbauer, technischer Chefstratege bei Dynatrace. Das Unternehmen hat rund 3000 Mitarbeiter, machte zuletzt einen Jahresumsatz von über 700 Millionen Dollar und ist in den USA nahe Boston stationiert. Das globale Engineering-Hauptquartier ist aber in Linz, wo Dynatrace 2005 auch von Bernd Greifeneder gegründet wurde, der heute als Technikvorstand fungiert.

Im Bereich Blockchain-Technologie hat das mittlerweile zum milliardenschweren Unternehmen aufgestiegene Wiener Start-up Bitpanda ein Forschungsprojekt mit Open-Source-Komponente gestartet. Seit 2018 arbeitet die Handelsplattform für Kryptowährungen unter anderem mit der TU Wien zusammen, um verschiedene Blockchain-Projekte zusammenzuführen. Das Projekt namens Pantos wurde im vergangenen Jahr um die Raiffeisen Bank International erweitert, um in der Bankenbranche anzudocken.

Mehr Transparenz

In Österreich spielt Open Source auch für den öffentlichen Bereich eine wichtige Rolle. Auf Ebene der Verwaltung ist es etwa bei der Stadt Wien stark verankert: Die Ämter der Bundeshauptstadt verwenden seit 1994 das freie Betriebssystem FreeBSD und seit 2000 Linux, wobei die IT-Abteilung namens MA 01 rund 400 Server mit Open-Source-Software betreibt. Die Bundesregierung wiederum setzt beim Einsatz der Bürgerkarte und der Handy-Signatur auf frei verfügbare Software-Bausteine, die private Unternehmen in ihre Systeme integrieren und für ihre Zwecke weiterentwickeln können. Auch die vom Roten Kreuz im Frühjahr 2020 zur Verfügung gestellte „Stopp Corona“-App zur Nachverfolgung von Infektionsketten in der Pandemie wurde nach einigen Wochen auf Open Source umgestellt. Dass der Code auf der Plattform GitHub öffentlich gemacht wurde, sollte Transparenz schaffen und zur Akzeptanz in der Bevölkerung beitragen.

Die österreichische Open-Source-Community bekommt auch Unterstützung aus der Privatwirtschaft. Netidee ist eine Förderaktion, die heuer rund eine Million Euro für Projekte und Stipendien in Zusammenhang mit frei zugänglicher Software vergibt und von der Internet Stiftung ins Leben gerufen wurde. Der Verband der Internet Service Providers Austria gründete die Privatstiftung im Jahr 2000, ursprünglich um die Registrierung von .at-Domains zu organisieren. Netidee gibt zudem einen Open-Source-Guide heraus, der die österreichische Community im Blick hat.

Für die Interessen von Open-Source- und Open-Data-Initiativen setzt sich auch der Verein Open Source Software Business Innovation Group (OSSBIG) ein, vor allem wenn es um die digitale Selbstbestimmung in Europa und den Einsatz von Open-Source-Software als Alternative zu Lizenzsoftware geht. Man beobachte eine zunehmende Abhängigkeit von vorwiegend amerikanischen und chinesischen Software-Anbietern und fordere daher offene, transparente Plattformen und eine europäische Dateninfrastruktur, bestimmt von eigenen Regeln und Werten, geht aus einer Präsentation der OSSBIG hervor. „Mit Open Source macht man sich im Vergleich zu Lizenz-Software viel weniger abhängig. Die Einsicht, dass das auf europäischer Ebene ein Asset ist, fehlt in der Politik noch“, sagt Georg Hahn, Community-Manager der OSSBIG.

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