Vorarlberg: Abschnallen zum Bergabsitzen im Montafon

Obwohl er seine Leihski gegen andere tauschen könnte, probiert der Carver hier Skifox, Lama und Rodel aus.

In der Wahrnehmung des klassischen Skifahrers rangiert der Skifox oder das Airboard in der Kategorie Krücke. Nur der Druck der Gruppe kann ihn dazu bewegen, die Carver abzuschnallen und im Sitzen die Piste hinunterzugurken. Aber siehe da: Einmal mit dem Snowfox vertraut geworden, hat er eine echte Gaudi.

Im Montafon lassen sich klassische Skifahrer durch die Vielfalt der Möglichkeiten bekehren. Auf dem Hochjoch, direkt über Schruns-Tschagguns, kann man sich ausgefallenere Pistenlustbarkeiten ausleihen und im Funpark ausprobieren. Ein Guide zeigt, wie's geht, und rettet einen vor peinlichen Situationen.

Es zieht in den Bauchmuskeln

Der Snowfox eignet sich zur Funsport-Premiere: Dabei handelt es sich um einen einbeinigen Hocker auf einem kurzen Ski. Um die Balance zu halten, klammert man sich am Sitz fest, man lenkt durch leichtes seitliches Kippen und bremst mit den Eisenleisten an den winzigen Skiern unter den Schuhen. Weil man sich beim Fahren nach hinten lehnen muss, bedauert man das Fehlen von Bauchmuskeln.

Nach ein, zwei Übungsfahrten gelingen bereits Carving-ähnliche Schwünge. Skianfängern legen die Guides den Skifox ans Herz; der tiefer gelegte Schwerpunkt nimmt ihnen angeblich die Furcht vor Kollisionen mit der Piste.

Funsportgeräte entstehen und sterben mit jeder Saison. Was die Anwendung allerdings vereinfacht, hat Chancen, sich langfristig durchzusetzen. Das Splitboard ist so ein Beispiel, weil es Snowboardern beim Tourengehen Schweiß spart und ihnen Gewicht abnimmt. Im Hüttle-Camp quartieren sich Freerider ein, die es auf den Tiefschneehängen der Silvretta und des Rätikons testen: Das Board wird geteilt, man steigt wie mit Skiern auf – nur dass die Schaufeln nach außen zeigen. Oben ist das Scharnier mit einem Griff zusammengesteckt.

Vergleichsweise konventionell ist eine Montafoner Rodelpartie; ein Erlebnis aber, wenn am Start ein gastronomisches Ereignis wartet. Mit dem Garfrescha-Sessellift gondelt man durch den nächtlichen Winterwald und stapft zum Brunnellawirt. Dort schlägt man sich den Bauch mit Käsknöpfle voll. Dazu spielen, wenn man Glück hat, Mitglieder von „Krauthobel“, denen einst die Ehre eines ViP-Engagements zuteil wurde, nachdem sie in Schrunser Open Air das Ohr von Ernst-August und Caroline erfreuten. Wie schnell die Rodel später unten landet, hängt vom Getankten ab.

Rodeo-Bert büchst aus

Sobald eines der Lamas die Marsch- und Hackordnung der Trekkinggruppe durchbricht, sind die anderen nur mehr schwer zu bändigen. Doch Horst Küster hat die Ruhe weg, wenn Bert ausbüchst. Er weiß, dass er einen Kilometer weiter auf die Winterwanderer wartet und dass ihm auf dem Bartholomäberg nicht viele Autos entgegenkommen. „Man muss sie führen, aber man darf ihren Willen niemals brechen“; so lässt der unbedarfte Lamatrekker die Leine lieber los, wenn der Hengst Rodeo spielt.

Als der Unternehmer in Pension ging, züchtete er erst Schafe, kam aber bald auf die Lamas. „Sie sind geruchsneutral, haben keine Milben, kein Ungeziefer.“ Eine Schur im Abstand von zwei Jahren füllt ein paar Bettdecken, im Sommer mähen die fünf Hengste den steilen Hang vor seinem Bauernhaus.

Stapft man auf den Höhen über Schruns ein Stück weiter, kommt man ins Silbertal, den Schauplatz der Sagenfestspiele: Jedes Jahr wird eine regionale Legende mit Laien inszeniert und auf die freilichtmuseumsartige Bühne gebracht. „Prazalanz, das sündige Dorf“ oder „Geheimnis um Madrisa“ ziehen auch Urlauber an.

Ski wechseln

Die sportlichen Alternativen täuschen nicht darüber hinweg, dass das Montafon ein traditionelles Skirevier ist. Schruns-Tschagguns hat lange Weltcup-Geschichte, die Silvretta Nova sich zu einem Skizirkus ausgewachsen, in dem man auf keiner Piste zweimal unterwegs sein muss, weil es eine Safari bis nach Galtür gibt. Sekundiert wird diese Skisafari von kleineren, landschaftlich ebenso beeindruckenden Gebieten wie dem Golm, dem Hochjoch oder Gargellen.

Vieles in der Region trägt die Handschrift von Walter Klaus, einem deutschen Unternehmer, der in den 70er-Jahren begonnen hat, veraltete Bergbahnen aufzurüsten. Das größte Skigebiet seines bis nach Südtirol reichenden Imperiums ist die Silvretta Nova, Gastronomie inklusive.

Alles unter einem Markendach, tendieren die Hütten zur Systemgastronomie und mitunter etwas schrägem Charme: Muranoluster, Ölbilder-Wände. Die gar nicht un-urige „Nova Stoba“ fasst 1500 Menschen, vor der Hütte steht eine sternförmige Bar, die ein Tischler extra so entwickelt hat, dass ein Maximum an Leuten daran Platz hat. Dass man neben einer Bergstation die Filiale einer Sportartikel-Kette findet, wo man die Leihski jederzeit gegen ein schnittigeres Paar eintauschen kann, verwundert nicht. Service ist auf Montafoner Pisten alles.

Gleichzeitig hat sich Schruns die Atmosphäre eines gewachsenen Ortes bewahrt, in dem Menschen offensichtlich nicht nur vom Tourismus leben, in dem es ein anspruchsvolles Kunstforum gibt – und wo Ernest Hemingway becherte, pokerte und seine Gspusis hatte.

Inline Flex[Faktbox] MONTAFON. Mit und ohne Ski.("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2007)

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