Interview: "ÖGB-Stiftung rechtlich bedenklich"

Stiftungs-Experte Eiselsberg erklärt, warum der "Streikfonds" aufgelöst gehört.

Die Presse: In Österreich gibt es seit zwölf Jahren die Möglichkeit, Privatstiftungen zu gründen. Mittlerweile sehen viele Nachjustierungsbedarf: In vielen Stiftungen ist bereits die nächste Generation in den Vorstand eingetreten - und die kommt nun darauf, dass ihre Einflussmöglichkeiten begrenzt sind. Sollte es Ihrer Meinung nach zu einer Verstärkung von Stifterrechten kommen?

Maximilian Eiselsberg: Der Gesetzgeber hat das sehr klar geregelt. Die Vermögens- und Einflusssphäre des Stifters ist von jener der Stiftung getrennt. Daher ist auch gesetzlich festgelegt, dass ein von den Begünstigten fremder Stiftungsvorstand deren Geschäfte führt. Dies war eine wertende Entscheidung des Gesetzgebers, die zu akzeptieren ist.

Trotzdem gibt es auch Stiftungsexperten, die der Meinung sind, dass Eigentumsrechte bestehen bleiben sollten und daher der Stifter bzw. dessen Familie auch Einflussrechte haben sollten.

Eiselsberg: Der Stifterwille ist darauf ausgerichtet, dem Vermögen einen Zweck zu geben, der möglichst langfristig, nachhaltig und unabänderbar erfüllt werden soll. Die Stiftung wird zur "Sklavin des Stiftungszweckes", der mit dem vom Stifter losgelösten und verselbstständigten Vermögen zu erfüllen ist.

Der ÖGB hat schon vor Jahren seinen Streikfonds in eine Stiftung eingebracht, um die Höhe der zur Verfügung stehenden Streikgelder nicht preisgeben zu müssen. Wie sehen Sie, als "strenger Hüter" des Stiftungsrechts, die "Österreichische Gewerkschaftliche Solidarität Privatstiftung"?

Eiselsberg: Meiner Meinung nach müsste eine Stiftung, die nur auf die Erhaltung und Vermehrung des Vermögens ausgerichtet ist, aufgelöst werden. Jede Stiftung hat einem außerhalb der Stiftung gelegenen Zweck zu dienen. Das heißt, sie hat Zuwendungen an Begünstigte auch tatsächlich auszuschütten.

Ausschüttungen im Falle einer Arbeitsniederlegung sind doch auch ein Zweck?

Eiselsberg: Dieser Zweck kann problematisch sein, weil er an Bedingungen geknüpft ist. Außerdem dürfte das Verhältnis des verwalteten Vermögens zur Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme nicht angemessen sein.

Der ÖGB-Stiftung fehlt also die Möglichkeit, einen Zweck zu erfüllen?

Eiselsberg: Genau. Mit Stiftungen soll ja langfristig etwas geschaffen werden. Eine Stiftung, die in erster Linie den Zweck hat, Vermögen zu akkumulieren, wird zur Selbstzweck-Stiftung, die keinen Bestand haben kann. Und - nebenbei gesagt - handelt es sich ja um Vereinsvermögen, das den Mitgliedern entzogen wurde. Tatsache ist, dass Stiftungen, die verhältnis- und regelmäßige Zuwendungen an Begünstigte ausschließen, rechtlich bedenklich sind.

Man hat den Eindruck, dass es gerade in der Wirtschaft Stiftungen gibt, die rechtlich nicht einwandfrei sind. Hinterfragt werden muss wohl auch die B&C-Stiftung, in die die Bank Austria Creditanstalt einst Anteile ihrer Industrieunternehmen ausgelagert hat. Da waren die Begünstigten ursprünglich die BA-CA-Aktionäre. Dann, nach der Übernahme durch die HypoVereinsbank, deren Aktionäre. Und nun dürften es wohl die UniCredit-Aktionäre sein. Ist das gesetzlich gedeckt?

Eiselsberg: Es sind ja schon Anträge auf Auflösung der Stiftung bei Gericht eingebracht worden. Die Sache ist tatsächlich problematisch. Es ist zu fragen, ob die UniCredit-Aktionäre jetzt automatisch Begünstigte geworden sind und ob der Stifter dies wirklich wollte.

Nach einer anfänglichen regelrechten Stiftungs-Euphorie in Österreich flaut die Zahl der Gründungen mittlerweile merklich ab.

Eiselsberg: Ich denke, man sollte wieder Anreize schaffen, um Stiftungen aus dem Ausland nach Österreich zu bringen. Aber auch im Lande gibt es durchaus Möglichkeiten, beispielsweise die ÖIAG. Wenn die Privatisierungen abgeschlossen sind, könnte sie - etwa nach dem Vorbild der deutschen Volkswagenstiftung - in eine Stiftung für Forschung und Entwicklung umgewandelt werden. Auch wäre daran zu denken, Stiftern eine rechtliche Möglichkeit zu geben, in eine andere Rechtsform zu wechseln - etwa, wenn sie sich mit dem Stiftungskonzept nicht zurecht finden. Bei der Umwandlung müsste aber die Substanz erhalten bleiben und dürfte nicht bis zu einem Viertel an den Fiskus fallen.

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