Die Nibelungen streiten im Palmenwald

Nibelungen streiten Palmenwald
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Holle Münster inszeniert mit Reinhardt-Seminaristen auf der Probebühne der Josefstadt eine humorvolle Kurzversion von Friedrich Hebbels gewaltigem Drama.

Friedrich Hebbels Trauerspiel „Die Nibelungen“ (1850–60) ist so monumental, dass es an sich zwei Abende füllt. Ein junges Ensemble in Wien, die meisten Studenten oder Absolventen des Reinhardt-Seminars, hat jedoch auf Kürze gesetzt: „Der Gehörnte Siegfried“, „Siegfrieds Tod“ und „Kriemhilds Rache“ werden mit dem alten Heldenepos angereichert – dennoch braucht man nur eineinhalb Stunden, um der Nibelungen Not frei nach Hebbel gewaltsam zu Ende zu bringen. Das Gebotene ist frisch und dennoch wohlüberlegt. Kurz: Die Inszenierung von Holle Münster, die auf der Probebühne der Josefstadt zu Gast war, zeigt reichlich Talent und Theaterleidenschaft.

Die Geschichte wird aus der Retrospektive erzählt. Kriemhild (Valerie Pachner) ist bereits Gattin Etzels (Felix von Bredow), verzückt schiebt der Hunne einen Kinderwagen. Superheld Dietrich von Bern (Sebastian Schmeck) spielt auf einer Orgel, er trägt einen Cowboyhut. Schon kommen die Burgunder, angeführt von König Gunther (Tim Tonndorf), dominiert vom finsteren Hagen (Christian Erdt), flankiert von Brunhild (Katharina Breier) und Barde Volker (Bernhard Eder, der auch die Musik schrieb). Nach Austausch von Nettigkeiten weiß man bald, dass Kriemhild auf Vergeltung sinnt.

Alle dürfen einmal Siegfried sein

Aber warum eigentlich? Wegen Siegfried. Den dürfen, und das macht diese Aufführung charmant, alle einmal spielen, denn nun erinnern sich alle zurück, wie es war, als dieser Kraftlackel nach Worms kam, die Ordnung durcheinanderwirbelte, um früh durch einen Lanzenstoß Hagens zu sterben, im Wald, bei einer Quelle. Der Zimmerpalmenbestand einer mittelgroßen Gärtnerei wurde offenbar für die Szene aufgebraucht (Bühne: Thea Hoffman-Axthelm). Weniger Aufwand benötigt Siegfrieds Kampf mit dem Drachen. Er wird zur choreografischen Übung, die das ganze Ensemble fordert. Das Schwert gezückt und dreingeschlagen! Da stürzen sie alle kollektiv nieder – hin ist er, der Wurm!

Wir sehen die List, mit der Brunhild von Gunther durch kräftige Mithilfe Siegfrieds gefreit wird, wir staunen über die zänkischen Frauen vor dem Dom, als die Katastrophe wegen eines Gürtels losbricht (hier ist es ein Fuchspelz, um den sie streiten). Das hat Humor, so wie die Gemeinheit des Realpolitikers Hagen. Tonndorf verleiht dem Burgunderkönig etwas halbseiden Gegenwärtiges.

Leichtgängig changieren Pachner und von Bredow zwischen Ernst und Ulk. Niemand hier übertreibt seinen Part, die Darsteller gehen wirklich aufeinander ein, um schließlich den großen Endgesang anzustimmen. Davor schöpft die Regie wörtlich etwas zu ausgiebig aus dem Vollen und lässt Blut fließen, sogar von Säuglingen, als wäre es Himbeersaft. Kein kühner Recke bleibt hier unbefleckt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2012)

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