Messer im Wiener Gemeinderat

Reportage. Die geplante Ausweitung des Parkpickerls lässt die Wogen hochgehen. Ein SP-Hinterbänkler zückte am Dienstag im Gemeinderat sogar ein Messer.

Wien/Stu. Manfred Juraczka steht am Rednerpult und genießt seinen Erfolg. Es ist einer der wenigen Momente, in denen der Chef der zuletzt schwer gebeutelten Wiener VP einen Treffer landen konnte. Und diesmal ist es Juraczka sogar gelungen, die rot-grüne Stadtregierung vor sich her zu treiben.

Neben dem VP-Chef türmen sich zahlreiche gelbe Schachteln: Rund 118.000 Unterschriften hat die Wiener VP gesammelt – gegen die Ausweitung des Parkpickerls auf die Bezirke jenseits des Gürtels. Und damit die Vorgabe der Stadtverfassung für eine verbindliche Volksbefragung (rund 57.000 Unterschriften sind dafür nötig) deutlich übertroffen. Nun werde eine Volksbefragung kommen, so Juraczka zuversichtlich.

Es ist Dienstag, der Wiener Gemeinderat tagt und auf dem Programm steht auch die geplante Ausweitung des Parkpickerls – nachdem es der Tag ist, an dem Juraczka die gesammelten Unterschriften an die grüne Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou übergibt.

Die Diskussion wird hitziger, als FP-Klubchef Johann Gudenus nach Juraczka ans Rednerpult tritt. Auch er ist mit zahlreichen Schachteln bewaffnet. Immerhin hat sich die FPÖ an die VP-Aktion angehängt und rund 25.000 Unterschriften gegen das Parkpickerl gesammelt. Mit den rund 7000 Unterschriften des ÖAMTC haben also 150.000 Wiener gegen die Ausweitung schriftlich protestiert.

Gemeinderat sticht zu

Die große Menge der FPÖ-Boxen, die sich neben Gudenus auftürmen, macht die SPÖ allerdings misstrauisch. Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely nimmt eine Box, schüttelt sie und meint amüsiert: „Die ist ja fast leer.“

Wenig später marschiert SP-Gemeinderat Ernst Nevrivy mit einem Messer von seiner Hinterbank nach vorne, positioniert sich neben Gudenus, und sticht in eine Box mit Unterschriften – um zu sehen, ob in den aufgetürmten Boxen wirklich Unterschriften sind. „Da ist ja nichts drinnen“, meint er.

Die Aufregung bei der FPÖ ist groß. „Bei 150.000 Unterschriften wird die SPÖ so nervös, dass sie zum Messer greift“, empört sich Gudenus, der später von einer „Messerattacke“ spricht. Die Sitzung wird unterbrochen, Nevrivy handelt sich einen Ordnungsruf ein.

Juraczka lässt das alles kalt. Er posiert gleichzeitig vor dem Rathaus und lächelt zufrieden in zahlreiche Kameras, gibt Interviews. Für die Fotografen stellt sich Juraczka hinter die Boxen mit Unterschriften und streckt den Daumen in die Höhe – was er sichtlich genießt. Denn als Wiener VP-Chef muss man die seltenen Erfolge genießen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2012)

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