Neue Kritik an Zentralmatura: Deutsch „zu einfach“

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Der Nationalrat beschließt heute den Aufschub der teilzentralen Matura. Unterdessen bringt die Vorbereitung der Deutschmatura neue Aufregung: Ein „Genügend“ werde künftig praktisch verschenkt.

Wien. Erst vor Kurzem hat Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) die Zentralmatura um ein Jahr auf 2015 verschoben, weil das Projekt noch mehr Vorbereitung brauche. Heute, Donnerstag, bestätigt der Nationalrat den Aufschub. Doch schon gibt es die nächste Aufregung um die teilzentrale Matura, die die Ergebnisse in mehreren Fächern österreichweit vergleichbar(er) machen soll. In Deutsch seien die Anforderungen für ein „Genügend“ künftig zu niedrig, jene für ein „Sehr gut“ aber weiter hoch, sodass sich erst wieder ein verzerrtes Bild von den Leistungen aller Schüler im Land ergeben könnte, meinen Kritiker.

Fehler, Beistriche: Vieles offen

Den Hintergrund bildet eine aktuelle Unterlage des Bundesinstituts für Bildungsforschung (BIFIE), das die Zentralmatura im Auftrag des Bundes vorbereitet. Gemäß dem Papier, das der „Presse“ vorliegt, soll es für ein Durchkommen bei der (schriftlichen) Deutschmatura künftig unter anderem reichen, wenn die Arbeit des Schülers eine „deutlich erkennbare Anwendung der Prinzipien der deutschen Schreibung“ aufweist – wenn der Schüler also nicht zu viele Rechtschreibfehler gemacht hat.

Aber wie viele Fehler sind zu viel, und welche Fehler sind gerade noch erlaubt? Das sei nicht eindeutig festgelegt, empört sich der schwarze oberste AHS-Lehrergewerkschafter Eckehard Quin. Auch bei der Beistrich- oder Punktsetzung werde (zu) vieles offengelassen, glaubt er: Eine „deutlich erkennbare Anwendung der Regeln der Zeichensetzung“ verlangt das Papier des BIFIE. Und zur Grammatik heißt es, dass der Text des Schülers „überwiegend grammatikalisch korrekt“ sein müsse – also bei Weitem nicht immer oder meistens.

Mit welcher Konsequenz? „Wenn ein Akademiker in Bewerbungsschreiben schwere Fehler hat, wünsche ich ihm viel Glück“, sagt Quin: „Wenn wir solche Maßstäbe bei der Deutschmatura ansetzen, wie jetzt geplant, geben wir manchen Schülern zwar eine Studienberechtigung, nicht aber eine Studienbefähigung in die Hand.“

So sieht das auch Gerhard Riegler, Chef des Zentralausschusses der AHS-Lehrer, der direkt mit Ministerin Schmied über die Zentralmatura verhandelt. „Wir haben vor einem allgemeinen Downgrading durch die Zentralmatura gewarnt“, sagt er im Gespräch mit der „Presse“: Weil die Schüler an den einzelnen Schulstandorten unterschiedlich gut sind, werde man für einen Vierer wohl besonders weit unten ansetzen, um die österreichweite Durchfallsquote gering zu halten. Als besonders störend empfindet Riegler in dem Zusammenhang Formulierungen aus dem BIFIE-Papier, denen zufolge bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten „nur in Ansätzen“ erkennbar sein müssen. Etwa in Sachen „Stil und Ausdruck“: Da ist die Rede davon, dass eine „nur in Ansätzen erkennbare Varianz in der Satzstruktur“ – vereinfacht gesagt: ein wenig Abwechslung – für ein „Genügend“ ausreicht. Für ein „Sehr gut“, so Riegler, brauche es hingegen weiter durchaus „anspruchsvolle“ Leistungen. Gemessen an den Regeln fürs Durchkommen sei das unfair.

An den AHS soll die Zentralmatura verpflichtend im Frühjahr 2015, an den BHS dann 2016 starten. Sie betrifft die schriftliche Matura, die mündliche bleibt in der Verantwortung jeder Schule.

BIFIE: „Zeitgemäße Fachdidaktik“

Im Ministerium verteidigt man die teilzentrale Matura: „Die Vorbereitungen laufen sehr gut“, heißt es knapp aus Schmieds Büro. Am BIFIE gibt man sich naturgemäß vom eingeschlagenen Kurs überzeugt: Die neuen Aufgaben würden keinesfalls zu einfach, sondern einer zeitgemäßen Fachdidaktik entsprechend ausfallen, sagt Projektmanagerin Susanne Reif-Breitwieser. „Und der neue Beurteilungsraster entspricht dem geltenden Recht.“ Beispielsweise nur stur Beistriche und Rechtschreibfehler zu zählen und das Gesamtbild einer Arbeit zu vernachlässigen wäre widersinnig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2012)

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