Emotionsgeladener „Macbeth“ mit Burg und Vollmond

Barbara Palffy
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Sommerspiele Perchtoldsdorf. Hakon Hirzenberger inszenierte recht schlüssig Shakespeares finsterstes Stück mit einem beeindruckenden Ensemble.

Warlords, die um Herrschaftsgebiete kämpfen und einander ausrotten, gibt es zwischen Mexiko und Afghanistan auf dieser Welt zuhauf. In unseren Landen sind die Methoden beim Hostile Takeover an der Börse oder in Politik zwar formal subtiler, faktisch aber wohl auch reichlich brutal.

In „Macbeth" bildete der Brite Shakespeare die rohen Schotten ab - die sich seit Jahrhunderten an den Engländern reiben und umgekehrt. 2014 will Schottland über einen Austritt aus dem Vereinigten Königreich abstimmen. Was wird die Queen dazu sagen? Shakespeare soll Hexen-Flüche seiner Zeit in den „Macbeth" eingewoben haben, vielleicht ist das ein Grund, warum das Stück angeblich Unglück bringt. Claus Peymann probte fünf Monate und brachte doch bloß das „First Couple" überzeugend auf die Bühne: Kirsten Dene und Gert Voss.

Im Sumpf des Bösen

Barbara Palffy

Bei den Perchtoldsdorfer Sommerspielen geht es naturgemäß weniger wunderbar zu, aber viel besser als man erwartet hätte. Dietmar König und Alexandra Henkel, auch im Leben ein Paar - ihre Söhne spielen ebenfalls mit - überzeugen als kräftig jugendliche Karrieristen, die, wiewohl in Fell und Kilt, auch im Büro Karriere machen könnten. König stürmt sieghaft die Bühne, er strahlt, hat den Feinden ordentlich eine rein gehauen. Seine Lady kann mit ihm zufrieden sein, aber sie will mehr. Er zögert, doch bald ist dieser Macbeth im Sumpf des Bösen versunken und damit ändert sich auch seine jungenhafte Physiognomie. Man kann förmlich zusehen, wie der junge Haudegen sich paranoid einmauert.

Die Wurzel des Übels ist offenbar, dass Macbeth impotent ist, ein etwas abgebrauchter und entbehrlicher Einfall, denn er drückt die Tragweite des Spiels herunter auf eine allzu simple Botschaft. Insgesamt aber ist Hakon Hirzenbergers Inszenierung gelungen, ein wenig lärmend vor, stark ergreifend nach der Pause. Die gespenstischen Videos von Bernd Kranebitter haben daran wesentlichen Anteil. Eine der eindrucksvollsten Szenen ist jene mit Nikolaus Habjans Puppen; er bereicherte bereits den Shakespeare-Sonette-Abend im Burgtheater. Hier verkörpern Habjans Puppen Lady Mcduff und ihre Kinder, der Vater floh, die Familie ist den Mordburschen Macbeths, der jeden potenziellen Rivalen bzw. Nachfolger töten lässt, ausgeliefert und wird massakriert. Es ist ein wahrhaft schauriges Bild, wenn die leblosen Figuren den Abhang aus Rindenschnitzel hinabkollern und liegen bleiben.

Echte Emotion, kein Kunstprodukt

Die Kulisse der Perchtoldsdorfer Burg, der Vollmond trugen bei der Premiere am Mittwoch weiteres zur dichten Atmosphäre bei. Spektakulär sind die Kampfszenen (Michael Moritz). Die Besetzung ist durchwachsen, aber gut geführt: Eduard Wildner spielt einen dekadenten Duncan, der sich mehr zu Knaben als zu Mädchen hingezogen fühlt. Wildner gibt auch den philosophischen Pförtner, einer von Shakespeares weisen Narren. Stefano Bernardin ist ein vitaler Mcduff, Sven Sorring ein beinahe grandioser Banquo. Der tollste Darsteller dieses Abends ist allerdings Max Mayer als Malcolm, der künftige König, der das Schreckensregime fortführen wird, auch wenn er das nicht wollte. Die Bazillen Gewalt und Macht sind zäh und resistent, das sieht man in den Nachrichten alle Tage.

Die männliche Gruppendynamik und wie die einzelnen Figuren zusammenhängen, das wird hier plastischer als sonst. Eines hat dieser „Macbeth", was ihn von anderen unterscheidet: Die Aufführung ist voll echter Emotion, kein Kunstprodukt wie Barry Koskys Annäherung im Schauspielhaus, keine bluttriefende Gewalt-Orgie wie bei Jürgen Gosch und auch kein hermetisches Ritual wie bei Anna Badora im Grazer Schauspielhaus. Hier agieren normale, ja sogar ganz nette Menschen und werden von ihrer Gier in eine Katastrophe gerissen. Insofern ist dieser Perchtoldsdorfer „Macbeth" nicht nur sehenswert, sondern auch etwas Besondere.

Info

Vorstellungen bis 28. Juli, Sonntag 8. 7. Matinee mit Michael Köhlmeier "Shakespeare und sein Macbeth" 11 Uhr >> Sommerspiele Perchtoldsdorf

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2012)

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