Khol: „Diese Regierung hat in diesem Jahr weitreichende Reformen weitergebracht“

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Andreas Khol ist für harte Strafen für Zwischenrufer und will über Uni-Gebühren und die Gesamtschule abstimmen.

Die Presse: Mit 650.000 Unterschriften könnten künftig Volksabstimmungen und damit Gesetze am Parlament vorbei initiiert werden. Was halten Sie als langjähriger Parlamentarier, Klubobmann und Parlamentspräsident davon?

Andreas Khol: Ich halte das für ein wichtiges Mittel, um festgefahrene Fronten aufzubrechen. Wenn die Beteiligung und die Mehrheiten stimmen. Und inhaltlich darf es nicht gegen EU-Recht, die Bundesverfassung und internationale Verpflichtungen gehen. Auch über die Höhe von Steuern und Abgaben soll nicht abgestimmt werden. Und es darf sich auch nicht gegen eine einzelne Person richten. Und es sollte eine Vorprüfung des Verfassungsgerichtshofs stattfinden.

Eine Teilentmachtung des Nationalrats wie ÖVP-Kollegen sehen Sie nicht?

Sehe ich nicht. Sondern ich sehe eine wertvolle Ergänzung. Wenn zum Beispiel eine Große Koalition über Jahre hinweg einen Mehrheitswillen ignoriert.

Zum Beispiel?

Studiengebühren. Nur deswegen eine andere Koalition zu machen, wäre zu viel verlangt. Ich glaube, dass es ohne Weiteres auch eine Abstimmung über Themen im Schulwesen geben kann: So versucht eine Minderheit nun schon über Jahre hinweg die Gesamtschule herbeizureden.

Soll die Abgeordnetenzahl reduziert werden?

Im ÖVP-Klub hat keiner widersprochen, als dies präsentiert wurde. Ich glaube, dass die kleinen Parteien Schwierigkeiten damit haben werden. Ich selbst bin ja der Meinung, wir sollten ein Wahlrecht mit 100 Abgeordneten haben, die direkt in ihren Wahlkreisen gewählt werden, und der Rest wird zum Proporzausgleich über das Listenwahlrecht vergeben. Dann kann das Parlament manchmal kleiner sein, manchmal größer. Ich halte das ehrlich gesagt für keine sehr wichtige Frage.

Zu einem richtigen Mehrheitswahlrecht konnten Sie sich nie durchringen?

Nein, das lehne ich aus grundsätzlichen Gründen ab. Weil ich die Opposition im Parlament haben möchte, nicht auf der Straße.

Hat die Verlängerung der Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre irgendetwas gebracht?

Ja. Gerade diese Regierung Faymann/Spindelegger hat in diesem Jahr weitreichende Reformen weitergebracht. Das kann niemand abstreiten. Das wäre in einer vierjährigen Periode nicht möglich gewesen. Die Neuordnung der Parteienfinanzierung, die Neuordnung des gesamten Korruptionsbekämpfungswesens, die von mir seit dem Jahr 1992 mitverhandelte Reform der gesamten Verwaltungsgerichtsbarkeit, die Grundsatzeinigung auf die Gesundheitsreform, das Konsolidierungspaket, das Bundesamt für Asyl- und Fremdenwesen, die Ratifizierung von ESM, Fiskalpakt und dem EU-Beitritt Kroatiens. Das ist eine gewaltige Arbeitslast. Unter schwierigen Umständen. Aber dass die Regierung keine Verfassungsmehrheit hat, hat sich ganz interessant für den österreichischen Parlamentarismus erwiesen – etwa die Umwandlung der Protesthaltung der Grünen in eine Kooperationshaltung.

Dennoch man hat den Eindruck, dass der Parlamentarismus in der öffentlichen Wahrnehmung an Aufmerksamkeit verloren hat. Früher gab es nach Plenartagen große Parlamentsreportagen in den Zeitungen. Das ist heute nicht mehr so.

Das hängt aber nicht mit dem Parlament selbst zusammen, sondern damit, dass faktisch alle Parlamentssitzungen live im Fernsehen übertragen werden. Das Interesse am Parlamentarismus war aber nie sehr groß.

Was halten Sie von Geldstrafen für unpassende Zwischenrufe im Parlament?

Sehr viel. Ich würde 1000 Euro als unbedingt richtig betrachten. Diese sollen nicht vom Klub, sondern von den Abgeordneten selbst bezahlt werden. Es sind immer die gleichen acht bis neun Leute, die negativ auffallen.

Haben Sie sich mit Hermann Schützenhöfer schon ausgesöhnt?

Die Sache ist erledigt. Bei unserem Disput ging es vor allem um eine Nulllohnrunde für Pensionisten. Da beharre ich auf unserem Abkommen mit der Bundesregierung, das sieht für fünf Jahre keine Nulllohnrunde vor. Unsere Politik besteht darin, den Menschen Sicherheit zu geben. Und wir glauben, dass wir das Pensionssystem für jene, die in Arbeit oder Pension sind, nachhaltig bis 2050 gestalten können, wenn wir das faktische Pensionsantrittsalter auf 64,5 Jahre bringen.

Zur Person

Andreas Khol (70) ist Obmann des ÖVP-Seniorenbundes. Er war Klubobmann der ÖVP (von 1994 bis 2002) und dann Erster Nationalratspräsident (von 2002 bis 2006), davor langjähriger ÖVP-Abgeordneter. [Eva Rauer]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2012)

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