Der Bundespräsident Heinz Fischer will den Rettungsschirm (ESM) vor Zustimmung genau prüfen. „Ich stehe nicht unter Zeitdruck“, sagte er in der ORF-Pressestunde.
Bundespräsident Heinz Fischer zaudert. Er will seine Unterschrift nicht voreilig unter die vom Nationalrat beschlossenen Zustimmungsgesetze zu Fiskalpakt und permanentem Rettungsschirm ESM setzen. In etlichen Ländern Europas gibt es teils erbitterten Widerstand der Bürger gegen den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), eine Institution, über die hunderte Milliarden Euro an Steuergeldern aus soliden Staaten an marode Länder und Banken in der Eurozone fließen könnte.
„Ich stehe nicht unter Zeitdruck“, sagte Fischer in der ORF-Pressestunde. Auf den ersten Blick seien die Gesetze zwar nicht verfassungswidrig beschlossen worden, er wolle die Materie aber noch genauer prüfen. Letztlich wird das Staatsoberhaupt wohl unterschreiben müssen. Schon, um den Weg für Verfassungsklagen gegen das Gesetz freizugeben.
Richter können ESM stoppen
Genau umgekehrt ist die Situation in Deutschland. Dort müssen die Bürger die Höchstrichter anrufen, bevor der Präsident ein Gesetz unterschrieben hat. Im Fall des ESM haben das zehntausende getan. Kommenden Dienstag sollen die Richter in Karlsruhe in einem Eilverfahren entscheiden, ob Bundespräsident Joachim Gauck die Beteiligung Deutschlands am ESM vor dem endgültigen Urteil der Verfassungsrichter absegnen darf oder nicht. Verbieten sie Gauck vorübergehend die Unterschrift, dürfte sich der Start des ESM noch einmal verschieben. Denn der permanente Rettungsschirm tritt erst in Kraft, wenn so viele Länder die Verträge ratifiziert haben, dass 90 Prozent des Grundkapitals gesichert sind. Deutschland allein steht mit 190 Mrd. Euro für einen Löwenanteil des Gesamtvolumens von bis zu 750 Mrd. Euro.
Umgekehrt würde eine Unterschrift des Präsidenten das Aus für alle Hoffnungen der ESM-Gegner bedeuten. Denn selbst wenn die Verfassungsrichter im Nachhinein feststellen, dass die Beteiligung am ESM verfassungswidrig ist, könnte Deutschland nicht mehr aus den Verträgen aussteigen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2012)