Traian Basescu: "Sie haben den Staat enthauptet"

Traian Basescu haben Staat
Traian Basescu haben Staat(c) EPA (MIRCEA ROSCA)
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Rumäniens suspendierter Präsident Traian Basescu streitet um seine letzte Chance. Doch Meinungsforscher prophezeien ihm für den Volksentscheid eine bittere Niederlage.

Patriotische Lieder schallen über das Meer der weißen Fahnen und Ballons am Lucian-Blaga-Platz. Weiß sei die „Farbe der Reinheit und Unschuld“, erklärt eine schlanke Frau eher einsilbig, warum sie sich wie mehrere tausend Anhänger des suspendierten Präsidenten Traian Basescu ganz in Weiß nach Cluj aufgemacht hat. Mit derben Kraftausdrücken lässt derweil der Arbeitslose Georghe Dragus seiner Verärgerung freien Lauf. „Die Bastarde“ der Regierung wollten aus Rumänien ein „zweites Simbabwe“ machen, „sie wollen uns in die 80er-Jahre zurückführen“, erregt sich der Mann mit dem mächtigen Kugelbauch und der geschulterten Landesflagge: „Ich werde Basescu bis zum Ende unterstützen.“

Sprüche wie „Respektiert die Verfassung!“, „Traian, Du bist nicht allein!“, „Rumänien, wach auf!“ prangen auf den Postern der rund 4000 Basescu-Anhänger, die die ihm nahe stehende PD-L und deren konservative Partner in Bussen aus ganz Transsylvanien und der angrenzenden Provinz Maramures zum Auftakt des Stimmenstreits in die siebenbürgische Metropole gekarrt haben. Am 29.Juli soll in dem Karpaten-Staat der Volksentscheid über die von seinen sozialliberalen Widersachern angestrebte Amtsenthebung steigen.

In wenigen Tagen habe die Regierung das Land zum „schwarzen Schaf der EU“ gemacht, erregt sich auf dem Podium der frühere PD-L-Premier und jetzige Bürgermeister von Cluj. Tatsächlich erschüttert Rumäniens erbitterter Machtstreit nicht nur das Politparkett in Bukarest, sondern schlägt auch in Brüssel hohe Wellen: Es sind die fragwürdigen Methoden, mit denen der sozialistische Premier Victor Ponta seinen Widersacher aus dem Amt hebeln will, die Brüssel selbst mit der nie verwendeten Höchststrafe der Suspendierung der EU-Mitgliedschaft drohen lässt. Seit der 39-jährige Jurist Anfang Mai mit Hilfe von Überläufern der kriselnden PD-L auf die Regierungsbank rutschte, machte er sich mit unbändigem Machtdrang daran, mit allen Mitteln den Weg zur erfolgreichen Amtsenthebung seines lästigen Rivalen zu ebnen. Resolut tauschte der Sozialist in Windeseile alle Schlüsselpositionen im Staat gegen loyale Gefolgsleute aus. Mit einer Flut von Eildekreten verhinderte der des Plagiats überführte Jurist nicht nur die Aberkennung seines Doktortitels, sondern schränkte auch die Befugnisse des Verfassungsgerichts gehörig ein. Doch die Reaktion der EU-Partner hatte der ehrgeizige Aufsteiger unterschätzt: Europaweit wogt mittlerweile eine Welle der Proteste.

Marionetten der Geldgeber. Die Basescu-Sprechchöre seiner Anhänger steigern sich zum Tremolo. Nach einer Stunde des langen Wartens ergreift der frühere Kapitän im meeresblauen T-Shirt endlich das Mikrofon. „Ich kämpfe nicht um meinen Posten, nicht um mich, ich kämpfe für Rumänien und das Volk“, verkündet der 60-Jährige. Die Glaubwürdigkeit des Landes stehe auf dem Spiel. Nur vier Tage hätten seine Gegner benötigt, „um den Staat zu enthaupten“. Ponta und Interimspräsident Crin Antonescu seien die „Marionetten“ ihrer Geldgeber.

Die ungewöhnlich heftige EU-Breitseite vor den Bug hat den in Brüssel kräftig in die Mangel genommenen Ponta scheinbar vorläufig zum Einlenken bewegt: Zumindest die Einschränkungen der Befugnisse des Verfassungsgerichts hat er gelobt zurückzunehmen. Trotz der EU-weiten Empörungsstürme über den Bruch aller demokratischen Spielregeln prophezeien Meinungsforscher dem suspendierten Amtsträger beim bevorstehenden Volksentscheid eine Niederlage. Fraglich ist nur, ob die vom Verfassungsgericht geforderte Wahlbeteiligung von mindestens 50 Prozent für die Gültigkeit des Votums zustande kommt. Allzu optimistisch scheint selbst der suspendierte Landesvater die Aussichten auf seinen Wiedereinzug in den Präsidentenpalast nicht zu beurteilen. Viele hätten ihm gesagt, dass er beim Referendum keine Chance habe, bekennt Basescu, bevor er sich mit dem Entzünden einer „Fackel der Demokratie“ beifallsumtost von seinem Publikum in Cluj verabschiedet.

Referendum

29. Juli
Der rumänische Präsident Traian Basescu wurde von der sozialistischen Regierung unter Victor Ponta von seinem Amt suspendiert. Nach einem Volksentscheid Ende Juli wird sich weisen, ob Basescu Präsident bleibt oder nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2012)

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