„Il re pastore“: Pereira brachte Kostüme aus Zürich

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Archivbild(c) AP (Kerstin Joensson)
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Villazón ist der erste Tenor, dem die Festspiele heuer eine konzertante Oper widmen. Er sang Alexander den Großen in Mozarts „Il re pastore“. Bald folgt Domingo in Händels „Tamerlan“. Bühnenspiel ging niemandem ab.

Fein ist, dass Mozart am Scheitelpunkt der Entwicklung der Opernform lebte. Mit seinen Meisterwerken hat er dazu beigetragen, die Psychologie zu erfinden und gleichzeitig das Musiktheater als deren wahren Hort zu etablieren.
Als junger Mann aber bereicherte er die alte barocke Huldigungsoper mit letzten, schönen Stücken. Diese bleiben in aller Regel von Deutungsversuchen der Regietheater-Pfründner verschont.

Nichts ist ja einfacher, als beispielsweise den brisanten Disput zwischen einem Grafen und dessen Kammerdiener ins Sozialpolitische zu verkleinern. (Herunterbrechen war nicht von ungefähr eine Zeit lang ein Lieblingswort der Managerkaste, deren künstlerische Stellvertreter auf Erden ja die Regisseure sind.)

Das nur nebenbei. Es fiel mir ein, weil man in Salzburg „Il re pastore“ konzertant vorstellte. So wie es angekündigt war, stimmte das zwar auch wieder nicht. Man vermied jeglichen Kulissenzauber, borgte sich aber von der Zürcher Produktion Kostüme – und wohl auch Interaktionen zwischen den handelnden Personen, die dadurch doch wieder zu echten handelnden Personen wurden und nicht zu Konzertsängern – wie anno 1775 bei der Uraufführung.

Jedenfalls lässt sich, um den Eingangsgedanken wieder aufzugreifen, aus dem „Hirten-König“ kein tiefgründiges Menetekel für irgendwelche Situationen in unserer heutigen Welt konstruieren. Nicht einmal für uns Protagonisten des sorglosen Wirtschaftskrisenwunders. Zwei Herrscherpaare und ein Oberherrscher, der allen auf irgendwelche Throne verhilft – ohne dass dieser fröhliche Postenschacher auch nur einem irgendwie tiefer sozialisierten zu Beherrschenden je das Schäferidyll stören könnte –, dergleichen galt wohl manch einem schon zu Maria Theresias Zeiten als recht harmlos.

In Salzburg ist es 2012 eine nette Abendunterhaltung. Das Publikum kommt ja sogar zu einem Stück wie „Il re pastore“, wenn es darum geht, dem geliebten Rolando Villazón einen aktuellen Vokalbefund auszustellen. Also? Der dunkle Tenor neigt in der Höhe ein wenig zu Verhärtungen, ist aber erstaunlich beweglich in den vielen Koloraturen, die Mozart einst dem Kastraten zugemutet hat.

Alexander der Große singt

Alles in allem versichert uns Villazón in drei Arien Güte, Standhaftigkeit, Beherztheit und Weisheit des großen Alexander mit Durchschlagskraft und derselben Energie, die dem Originalklang-Ensemble der Zürcher Oper dank William Christies fordernder Leitung entströmt. Auch wo Mozart sich althergebrachter Formeln bedient, wird es daher nicht langweilig. Wo schon der geniale Melodiker erkennbar wird – etwa in der konzertierenden „Amerò“-Arie – kommt es zu wohligen Duett-Kadenzen zwischen Martina Jankovás Sopran und dem artig vibratoarmen Geigenspiel der Konzertmeisterin Ada Pesch.

Nicht ganz auf jenem sicheren Niveau die etwas piepsige Elisa von Eva Mei oder die in Sachen Intonation ein wenig großzügige Tyrannentochter Tamiri der Sandra Trattnig. Um vokale Weichheit bemüht zeigt sich der zweite Tenor des Abends, Benjamin Bernheim, der mit seinem Monolog über die seelische Zerrüttung, die treue Pflichterfüllung hervorzurufen vermag, eine der mitreißendsten Mollarien Mozarts auf den Weg bekommen hat – und Furore damit macht.
Salzburgs Publikum schien weiterführendes Bühnenspiel nicht abzugehen. Jubel.

Wiederholung heute, 1. August.

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