Europas Fluglinien geht die Luft aus

POLAND LOW COST AIRLINE OTL EXPRESS SUSPENDED FLIGHTS
POLAND LOW COST AIRLINE OTL EXPRESS SUSPENDED FLIGHTSEPA
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Die Eurokrise und teures Kerosin stürzen auch die Big Player tief in die Verlustzone. Radikale Sparkonzepte bekämpfen nur die Symptome der Misere, nicht aber die Ursachen.

Der Konkursantrag ist taufrisch: Am Dienstag schlitterte die polnische Fluglinie OLT Express in die Pleite. Die Billigfluglinie, die mit Diskontpreisen den Inlandsmarkt aufmischen wollte, ist nicht die erste Fluglinie, die es heuer erwischt hat. Und sie dürfte nicht die letzte sein. Die goldenen Zeiten in der europäischen Luftfahrt sind vorbei – selbst für schlank aufgestellte Billigairlines wie den Branchenführer Ryanair wird das Klima rauer.

Immerhin schreibt die irische Gesellschaft noch schwarze Zahlen, was das Gros der Konkurrenz nicht mehr tut. Sogar die Branchengrößen Lufthansa, Air France/KLM und British Airways/Iberia (IAG), deren Größe lange als Asset im Konkurrenzkampf gegolten hat, fliegen Verluste ein. Bei der Lufthansa verringerte nur ein bilanzieller Sondereffekt bei der Tochter AUA das Minus zum Halbjahr von 206 auf 168Mio. Euro. Bei Air France/KLM hat sich der Verlust auf 1,264 Mrd. Euro mehr als verdoppelt. Und bei der britisch-spanischen IAG drehte das Nettoergebnis von plus 98 auf minus 241 Mio. Euro.

Die leicht gesunkenen, aber weiter hohen Kerosinpreise setzen allen Airlines rund um den Globus zu. Sie bringen die höheren Treibstoffkosten in den Märkten nicht mehr unter, das ist ein Ergebnis der seit Jahre dauernden Preisschlacht. Mit niedrigeren Ticketpreisen füllten die Airlines zwar ihre Maschinen auf und generierten schnell Cash, sie verdienten aber nichts. Und jetzt können sie die Preise nicht mehr anheben, ohne Kunden zu verlieren.

In Europa drückt zudem die Euro-Schuldenkrise auf die Ergebnisse der Fluglinien, die sich in einem beinharten Wettkampf gegen Billiganbieter und die Herausforderer aus Asien und den Golfstaaten befinden. Schon die Finanzkrise 2008/09 hat die Airlines in Europa mehr belastet als anderswo. Reisegewohnheiten, vor allem im Businessbereich, änderten sich radikal. Das scheint allerdings nur ein Vorgeschmack auf die Probleme gewesen zu sein, die jetzt drohen. Wie zum Beispiel die Einbeziehung der Airlines in den Emissionshandel und – eine rein deutsch-österreichische Spezialität – die Ticketsteuer.

Der Weltluftverband IATA fasst seine pessimistische Sicht in Zahlen: Europas Fluglinien prognostiziert die IATA für 2012 Verluste von 1,1 Mrd. Dollar (882 Mio. Euro). Im Vorjahr gab es noch Gewinne.

Kleine und mittelgroße Gesellschaften – wie TAP, Finnair, LOT, CSA, SAS, Alitalia und auch die Lufthansa-Tochter AUA – kämpfen nicht nur gegen rote Zahlen, sondern ums Überleben. Vor Kurzem galten sie noch als unsinkbare „nationale Flaggschiffe“. Weshalb Experten davon ausgehen, dass sich die Marktbereinigung beschleunigen wird. Mit radikalen Sparprogrammen versuchen die Fluglinien gegenzusteuern. Der Vorteil: Mit der Angst vor dem finanziellen Absturz im Nacken lassen sich Betriebsräte und Gewerkschaften Eingriffe abringen, die bisher tabu waren. So lösen sich Privilegien wie hohe Abfertigungen einfach in Luft auf.

Allerdings packt der Rotstift, der meist auch tausende Arbeitsplätze streicht, die Probleme nicht an der Wurzel. Traditionsgesellschaften von der Lufthansa abwärts leiden unter ihren gewachsenen – und zum Teil aufgeblähten – Strukturen. Da bleiben auch Schnitte Flickwerk. Vielmehr, so meinen Experten, bedürfe es neuer Geschäftsmodelle, die sich an den Billigairlines orientieren. Neue Buchungs- und Vertriebssysteme, neue Planungsmodelle für das Streckennetz zählen dazu.

Die Krise legt die Sünden der Vergangenheit schonungslos offen. Dazu gehört auch der vom Expansionswahn getriebene Zukauf maroder Airlines, unter dem jetzt etwa die Lufthansa leidet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2012)

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