„Lady Vegas“: Süßes Mädel, netter Onkel und Sportwetten

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Stephen Frears neuer Film enttäuscht. Trotz ihrer Starbesetzung bleibt diese „wahre Geschichte“ einer ehemaligen Stripperin, die Buchmacherin wird, banal. Zu wenig Esprit oder gar Spannung. Ab Freitag im Kino.

Das Spielerparadies Las Vegas gilt gemeinhin als künstliche Stadt. In Wahrheit aber materialisieren sich Zockerträume nirgends so brutal-real wie in dieser von der Mafia großgezogenen Wüstenstadt in Nevada. Dorthin will in Stephen Frears Kinofilm „Lady Vegas“ auch die junge Stripperin Beth Raymer aus Florida , die von Rebecca Hall entzückend gespielt wird.

In der ersten Szene sieht man ihr Gesicht in Nahaufnahme, sie stöhnt. Das Bild dreht sich, Großaufnahme: Ein Handstand ist anstrengend. Beth lächelt, tanzt halb nackt vor einem Kunden, dann ist Schluss mit der Vorstellung. Sieht recht harmlos aus, doch der nächste Kunde bedroht sie mit einem Revolver. Was also liegt näher als die Flucht? In einen neuen Beruf! Ein kurzer Abschied von Dad, der von ihren Plänen begeistert ist, schon sehen wir Beth mit ihrem Hund in einem schäbigen Pick-up-Truck auf dem Weg von Tallahassee in den Westen.

Gefrorene Erbsen für Catherine Zeta-Jones

Die Heldin will Cocktailkellnerin in Caesars Palace werden, das wäre für Beth das Höchste. Doch stattdessen sehen wir sie in einer Halle mit Glücksspielautomaten, wie verloren. Bis sie auf Sportwettenprofi Dink trifft, der von Bruce Willis als eine skurrile Figur gespielt wird, als Cabrio-Fahrer in kurzer Hose und weißen Socken, der neurotisch am Unterarm kratzt, unter dem Griesgram aber ein guter Onkel ist. Er sieht auf einen Blick, dass die junge Dame ein Rechengenie ist und ein Händchen für die Behandlung von Kunden hat. Es entstehen so etwas wie zarte Bande, wäre da nicht Dinks zickige Luxusfrau Tulip, die von Catherine Zeta-Jones als beinahe tragische Schnapsdrossel gespielt wird. Sie verlangt, dass ihr Mann die talentierte junge Assistentin feuert.

Das macht er auch, es kommt zur Abschiedsszene, zur Wiederaufnahme, zur erneuten Trennung, die Beth weg von Vegas in fast gefährliche Abenteuer führt; aber warum wirkt dieses Auf und Ab im an sich interessanten Milieu trotz beeindruckenden Aufgebots so fade und beladen mit Klischees? Frears, der seit Jahrzehnten großartiges Kino macht (etwa „My Beautiful Launderette“, „Dangerous Liaisons“ oder „The Queen“), hat doch mit „The Grifters“ (1990) einen rasanten, sarkastischen Film über Spieler und Betrüger gedreht. Eiskalt waren Annette Bening und Anjelica Huston. Ein Volltreffer! Diesmal hat der Regisseur auf einen lahmen Verlierer gesetzt, denn „Lady Vegas“ bietet zwar einige schöne Szenen, doch die Handlung ist banal, die Charaktere sind seltsam bis skurril. Der Film wird wie eine Komödie beworben, aber dafür hat er zu wenig Esprit.

Fürs Melodram jedoch reicht es nicht, weil Tragik nicht einmal als fernes Grollen zu ahnen ist: Kaum hat sich Beth von ihrem lieben Arbeitgeber getrennt, läuft sie ihrem neuen Lover über den Weg. Joshua Jackson spielt diesen biederen Journalisten Jeremy. Kaum winkt Dink mit dem Finger, lässt sie den Neuen stehen und geht zurück zum Zockerkönig. Dessen eifersüchtige Tulip hat diese Rückkehr schließlich erlaubt, wohl aus Berechnung. Der Deal: Sie kriegt dafür ein Face-Lifting. Bei der Aussöhnung kühlt die Junge der Verjüngten das geschwollene Gesicht mit einer Packung gefrorener Erbsen. Friede? Nein! Willis muss einen launischen Spieler geben, der zwar scharf im Kalkulieren ist, zuweilen aber irrationale Anfälle hat.

Bruce Willis darf nur wenig Action zeigen

Seine Stimmungsschwankungen sind unglaubwürdig, beschränken sich auf das Zertrümmern von Mobiliar. Solch sonderbare Form von Gewalt ist man bei Willis gar nicht gewohnt. Also ist die Heldin bald wieder bei Jeremy, folgt ihm nach New York, um dort bei einem Buchmacher zu arbeiten. Jetzt erhält das (dort illegale) Gewerbe etwas mehr Farbe. Vince Vaughn ist ihr neuer, schräger Dienstgeber – eine Farce auf das Gefährliche. Er zieht Beth in dunkle Geschäfte rein, es kommt zur Erpressung. Die Bedrohung aber ist nicht wirklich ernst zu nehmen, wie das in seichten Komödien eben so ist. Beth kann sich endlich emanzipieren, mit kräftiger Hilfe von Dink, Tulip und Jeremy: neues Glück des alten und Jackpot des jungen Paares. Statt des Zockens wartet auf Beth das Glücksspiel der Schriftstellerei.

So war es auch in der Vorlage zum Film. Das Drehbuch (D. V. DeVincentis) basiert auf dem Bestseller „Lay the Favorite: A Memoir of Gambling“ von Beth Raymer, die es erfolgreich vom Halbseidenen übers Gambling bis zur Erfolgsautorin gebracht hat. Der Stoff wäre also authentisch, doch hier wird er zu neunzig Minuten reiner Künstlichkeit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2012)

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