Nur ein echtes Bildungsgesamtkonzept rechtfertigt eine Volksabstimmung.
Die Niederlage des Hannes Androsch war der SPÖ wohl nicht deutlich genug. Anders ist nicht zu erklären, dass sie, nachdem die Österreicher dem von linken Ideen getragenen Bildungsvolksbegehren eine Abfuhr erteilt haben, ausgerechnet das rote Prestigeprojekt Gesamtschule vom Volk abstimmen lassen will.
Die Idee könnte dennoch – oder gerade deshalb – einen gewissen Reiz entfalten. In kaum einem Politikfeld sind Reformstau und Veränderungsdruck so groß wie in der Bildung. Den Bürgern ein Mittel in die Hand zu geben, die lähmende rot-schwarze Selbstblockade aufzulösen, bietet sich da an.
Dabei muss aber eines klar sein: Gerechtfertigt ist die Volksabstimmung nur, wenn das abzustimmende Paket gleichsam ein Gesamtkonzept für die Zukunft des Bildungssystems darstellt. Denn genau dafür – und nur dafür– ist das Instrument der Volksabstimmung da: zur Legitimation grundlegender, weitreichender politischer Weichenstellungen. Die Parteien haben aber andere Bestrebungen: Sie wollen das Volk nur zu jenen unausgegorenen Einzelmaßnahmen befragen, mit denen sie den politischen Gegner am besten ärgern können. (Oder warum will die SPÖ zwar über die Gesamtschule, nicht aber über Studiengebühren abstimmen?) In den Parteizentralen reibt man sich ob dieses Wahlkampfschmähs die Hände; die zuständigen Ministerien fühlen sich zugleich von der Pflicht entbunden, selbst Lösungen zu finden.
Der Verdacht liegt nahe, dass die Politik die eigentliche Bedeutung der direkten Demokratie nicht verstanden hat.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2012)