Architektur, die heilen kann

Architektur heilen kann
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Manche Häuser wirken fast wie Medizin. Zumindest vertrauen Krankenhäuser und Architekten dem Einfluss von Farben, Grünräumen und Atmosphäre auf die Genesung.

Krankenhäuser riechen nach Desinfektionsmittel, sind weißgrau getüncht und mit kaltem Neonlicht beleuchtet. So war das meistens. Doch so muss das nicht sein. Die beliebtesten Aufenthaltsorte der Stadt werden Spitäler auch in Zukunft nicht sein. Doch zumindest schreiben Krankenhausträger Schlagworte wie „Menschlichkeit“ oder „Wohlfühlatmosphäre“ in den architektonischen Anforderungskatalog hinein. Die früheren „Krankenanstalten“ weichen zunehmend modernen Gesundheitszentren mit Hotelcharakter, bei deren Planung nicht nur Hightech und Funktionalität, sondern vor allem eine angenehme und gesundheitsfördernde Atmosphäre im Vordergrund stehen.

Die Bereitschaft der Investoren, auch für die Innenausstattung, also das „angenehme Ambiente“ im Patientenzimmer, Geld in die Hand zu nehmen, ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Vor allem seit Studien vorrechnen, wie viel durch eine gesundheitsfördernde Atmosphäre gespart werden kann, wenn Patienten früher gesund werden und dadurch das Krankenhaus schneller verlassen. „Architektur hat grundsätzlich einen starken Einfluss auf die Gesundheit und die Gesundung“, sagt Martin Junger vom Wiener Architekturbüro Junger & Beer, „wie jede räumliche Gestaltung auf das Wohlbefinden von Menschen wirkt, egal ob gesund oder krank“. Raumstimmungen, Farben, Licht und Oberflächen – all das könnte nachgewiesenermaßen den Heilungsprozess unterstützen, meint Junger. Er plante etwa die Umgestaltung des Krankenhauses Kitzbühel, bei dem neben der Oberflächengestaltung vor allem Farben und Beleuchtung eingesetzt werden, um die Genesung beschleunigen zu können.


Farben, die entspannen. „Jede Farbe hat ihre Wirkung. Im Krankenhaus wirkt etwa blau kühlend und entspannt, Orange wirkt anregend und soll Optimismus stärken“, so Junger. Deshalb sind beide Farben großflächig im Haupteingang des Krankenhauses Kitzbühel zu finden. Wesentlich bei einem Gebäude des Gesundheitswesens sei, dass die Nutzer aufgrund ihrer Handicaps und gesundheitlichen Beeinträchtigung noch sensibler auf Licht und andere Umweltfaktoren reagieren. „Ein Beispiel: Wenn Patienten mit dem Bett durch die Gänge geschoben werden, liegen sie auf dem Rücken und schauen nach oben. Deshalb sollte man darauf achten, dass sie nicht vom Licht geblendet werden, sondern großteils indirekte Beleuchtung zum Einsatz kommt“, sagt Junger.

Niemand will länger als nötig im Krankenhaus bleiben: „Jeder hat die Sehnsucht, schnell wieder aus dem Krankenhaus wegzukommen. Deshalb ist ein Ambiente wichtig, in dem man ein Gefühl von ,zuhause' hat“, sagt der Wiener Architekt Paul Katzberger, der unter anderem gemeinsam mit Michael Loudon den Zubau des Kaiserin-Elisabeth-Spitals in Wien entwarf. Man müsse Territorien schaffen, die klassische Wohlfühlqualitäten, etwa Geborgenheit und Sicherheit, erfüllen. „In einem Raum, der eine positive Stimmung hat, gute Lichtverhältnisse, der gut belüftet ist und geruchlich unbelastet, kann man viel besser genesen“, so Katzberger.

Natürlich sei auch die Größe des Krankenhauses ein Kriterium. Vor allem auch für das Zusammenspiel medizinischer Behandlung und menschlicher Betreuung. Im Wiener AKH stehen mehr als 2000 Betten. In manchen Landeskrankenhäusern kaum mehr als 200. Für Katzberger ist die Zeit der „uneingeschränkten Größe“ daher vorbei: „Man versucht, die Versorgung wieder auf kleinere Einheiten herunterzubrechen. Ähnlich wie im Pavillonstil gibt es verschiedene Häuser, die jedoch anders als bei den Pavillons logistisch und durch kurze Wege zusammenhängen. Im Regelfall braucht ja beispielsweise eine urologische Station keine Verbindung zur Orthopädie.“

„Healing Garden“. Auch in der Ausschreibung für das Krankenhaus Nord, das gerade in Wien-Floridsdorf entsteht, standen Schlagwörter wie „Menschlichkeit“ und „Wohlfühlatmosphäre“. Vom Gestaltungsprinzip der Pavillons, ein Stil, der noch Anfang des 20. Jahrhunderts richtungweisend war, versuchen sich die Architekten die Vorteile abzuschauen. Das neue Krankenhaus Nord integriert etwa lichtdurchflutete Atrien und Höfe sowie 70.000 Quadratmeter Grünraum – auch die Pavillons wurden stets in parkähnliche Naturflächen integriert, da schon Otto Wagner davon ausging, dass Grünflächen zur Genesung beitragen. „Ein zentrales Element ist der ,Healing Garden‘, der die Vorstellung von Wohlfühlen, Heilen, Wachsen und Gesundwerden zu einem Gesamtkonzept vereint“, sagt Albert Wimmer, leitender Architekt des Health Teams, das den Zuschlag für den Spitalsbau erhielt.

Neben Obstgärten und einer Waldzone wird es Therapiegärten mit Turngeräten für Physiotherapie sowie Yoga- und Sportplätze geben. Die Grünflächen können aus großen Panoramafenstern von jedem Zimmer aus gesehen werden. Dem typischen Krankenhausgeruch will man mit duftenden Blumen und Kräutern entgegenwirken. „Beim Krankenhaus Nord steht in erster Linie die Orientierung an den Bedürfnissen der Patienten im Fokus. Aber auch die Einbeziehung des Umfelds ist wichtig. Das Krankenhaus soll zum Zentrum eines Gesundheitsviertels und zu einem wichtigen Treffpunkt im Grätzel werden“, so Wimmer. Dazu beitragen soll eine Piazza im Eingangsbereich, geplant als öffentlicher sozialer Treffpunkt mit trichterförmigen Überdachungselementen sowie einem Beleuchtungskonzept, das in den Abend- und Nachtstunden das subjektive Sicherheitsgefühl heben soll.

In den frühen Planungsphasen von Krankenhäusern finden meist sogenannte „Nutzerrunden“ statt, bei denen Patientenvertreter, Krankenpflegepersonal, medizinisch-technische Berufsvertreter sowie Ärzte zu Wort kommen. In den ersten Raumprogrammen entstehen so die Arbeits- und Organisationsabläufe der Mitarbeiter sowie die Ausstattung und Einrichtung nahe an den künftigen Nutzern. Bei der Planung des Krankenhauses Nord fanden etwa 800 solcher Nutzerrunden statt.

Eingeplant werden muss auch besonders viel Flexibilität, etwa Raum für medizinische Geräte, die zum Zeitpunkt der Planung möglicherweise noch gar nicht existieren. „Behandlungstechniken und medizinische Geräte verändern sich während der Entwicklungsphase des Krankenhauses, die bis zu zehn Jahre dauert, oft radikal“, meint Architekt Katzberger.

Architekturzum wohlfühlen

Krankenhaus NordDas Büro des Architekten Albert Wimmer leitet ein „Health Team“, das verschiedenste Erfahrungen in der Gesundheitsarchitektur vereinigt. Bei der Planung des 850-Betten-Spitals stand der Wohlfühlaspekt im Vordergrund. Die Fertigstellung ist für das Jahr 2016 geplant.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2012)

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