Paid Content: „Werbegetöse“ und andere Erlöse

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Die „New York Times“ bittet Online-Leser zur Kasse. Der „Tagesspiegel“ testet neue Bezahlmodelle. In Österreich gibt es einen digitalen Kiosk. von Isabella Wallnöfer

Unlängst hat sich Stefan Niggemeier offenbar ziemlich geärgert. Als er auf der Website des „Tagesspiegel“ nach den neuesten Meldungen Ausschau hielt, wurde er dort, wie der deutsche Medienjournalist in seinem Blog süffisant anmerkt, von einem Artikelfragment empfangen, über dem stand: „Liebe Leserin, lieber Leser, tippen Sie bitte die markierten Wörter ein, um diesen Artikel zu lesen.“ Statt Inhalten, ätzte Niggemeier, finde er auf vielen „Tagesspiegel.de“-Seiten vor allem viel „Zeug, Gerümpel, Werbegetöse“. Da frage man sich: „Mensch, wie die hier wohl ihren schönen Qualitätsjournalismus finanzieren?“ Genau das ist die Frage, die sich derzeit eine ganze Branche eher bang als hoffnungsvoll stellt: Wie können wir für die zunehmende Online- oder mobile Nutzung unserer Dienste Geld verlangen? Mit einigen ganz wenigen Ausnahmen hat auf dem Zeitungsmarkt bisher noch kein Verlag die (Er-)Lösung gefunden.

Peter Neumann, Online-Chef der „Tagesspiegel“-Gruppe, „kann die Aufregung von Herrn Niggemeier nicht ganz nachvollziehen“. Die Leser, sagt er im Gespräch, hätten mit den neuen Werbeformen, die noch in der Testphase sind, im Gegensatz zu dem Blogger offenbar kein Problem: „Etwa 60 Prozent geben den Begriff wie gefordert ein“ – und lesen dann den Artikel. Die neuen Werbeformen seien „im Grunde nichts anderes als eine Paywall – aber eine Paywall, die nicht der User bezahlt, sondern der Werber“. Die werbetreibenden Unternehmen würden nicht wie bei klassischer Banner-Werbung für die Platzierung ihres Werbesujets auf der Website bezahlen, sondern pro Klick – also nur, wenn der Internetnutzer das geforderte Stichwort auch tatsächlich eingibt. „Irgendwie müssen wir ja dazu kommen, dass wir unser Angebot monetarisieren.“

NYT: Digital steigert Auflage um 73 Prozent

Die Zeitungen wollen ihre verlegerischen Anstrengungen auch im Internet, am Tablet und Smartphone zu Geld machen. Sie müssen sogar, wollen sie langfristig überleben. Nur wenige haben bisher aber eine Paywall eingeführt – zu leicht ist es für Leser, statt zu bezahlen, auf eine Gratis-(Zeitungs-)Website auszuweichen. Eines der wenigen Blätter, die auf ein Bezahlmodell umgestellt haben, ist die „New York Times“. Dort kann man online nur mehr zehn Artikel im Monat gratis lesen, wer mehr will, muss für die Digitalausgabe zahlen. Sie wird bei US-Zeitungen zur Printauflage addiert, was dazu führte, dass die Auflagenzahlen insgesamt einen leichten Zuwachs verzeichneten. Größter Gewinner war zuletzt die NYT: Laut Meldung des Audit Bureau of Circulations vom Mai lesen mehr Leser die NYT auf digitalem Wege (807.000) als die Printausgabe (780.000) – das führte zu einem Auflagenplus von 73 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Nach eigenen Angaben hatte die „New York Times“ im ersten Quartal 2012 rund 454.000 zahlende Digitalabonnenten, das „Wall Street Journal“ – der Pionier unter den Paywall-Betreibern – 537.000. Für die zwei internationalen Player im Printsektor durchaus ein Erfolgsmodell – das aber nicht eins zu eins auf kleinere Märkte oder Zeitungen umgelegt werden kann. Im deutschsprachigen Raum sind die Verleger denn auch eher skeptisch. „Alle Paywall-Modelle funktionieren eigentlich nicht. Im freien Netz Inhalt komplett wegsperren zu wollen, halte ich für unmöglich“, meinte Johannes Vogel, Leiter der „Süddeutsche Zeitung“ Digital-Medien, beim diesjährigen Newspaper Congress in Wien. In Österreich hat bisher keine Zeitung eine Bezahlschranke im Internet eingeführt – Apps, mit denen Zeitungen am Handy oder iPad gelesen werden können, sind hingegen kostenpflichtig.

3000 User nutzen den Austria-Kiosk

Gemeinsam werden die heimischen Tageszeitungen als E-Paper im Austria-Kiosk der APA angeboten. „Wir haben derzeit 3000 registrierte User, von denen viele den Kiosk regelmäßig nutzen“, sagt APA-Geschäftsführer Peter Kropsch zur „Presse“. Da sei allerdings noch „ordentlich Potenzial nach oben drin“. Die Zeitungen können auf www.kiosk.at als PDF auf den Computer oder auf mobile Devices heruntergeladen werden und kosten so viel wie die Printausgabe in der Trafik. „Unsere Usability ist noch nicht optimal“, gesteht Kropsch. „Der Kiosk ist ein Web-Produkt wie die Digitalausgabe der ,Financial Times‘.
Das gibt zwar Unabhängigkeit vom Korsett der App-Stores, aber manches ist einfach umständlicher zu realisieren, und der Marketing-Rückenwind der App-Stores fehlt.“ Der Austria-Kiosk sei ein Teil der Paid-Content-Strategie der österreichischen Medien – zu den Auflagenzahlen dürfen digital verkaufte Exemplare jedoch nicht addiert werden. „Leider fließen die Zahlen derzeit noch nicht in die ÖAK ein. Eine Klärung dieser Causa würde den Stellenwert von digitalen Verkäufen für die Verlage sicher heben. Genauso wie die Klärung der unterschiedlichen Mehrwertsteuer auf Print- und Digitale Medien. Das erschwert das Schnüren von Kombi-Paketen“, moniert Kropsch die „nicht idealen“ Rahmenbedingungen.

Überall in der Branche wird intensiv daran gearbeitet, Zeitungen aus dem Printzeitalter in das digitale zu retten. Nicht alle wollen so wie die Gratistitel kostenlos geben, auch wenn diese vom durch das Internet angestachelten Trend zum Gratis-Content profitieren. Die Kaufzeitungen hingegen verlieren an Auflage. Umso wichtiger sei es, gemeinsam auf dem Markt vorzugehen, meint Kropsch: Der APA-Kiosk ist ein „im europäischen Raum einzigartiger Schulterschluss“. Und einen Versuch wert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2012)

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