Andrea Eckert: "Eine Sirene der Nostalgie!"

Andrea Eckert Eine Sirene
Andrea Eckert Eine Sirene(c) Clemens Fabry
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Andrea Eckert erzählt im Gespräch mit der "Presse" von der berühmten Sängerin Greta Keller, von der eine Uraufführung im Volkstheater handelt: Man nannte Keller »die Dame mit der rostroten Stimme«.

Ihr großes Projekt für den Herbst ist „Bon Voyage“, die Premiere wird am 14. September im Wiener Volkstheater stattfinden. Wie hat es sich ergeben, dass Sie diesen Abend über die Sängerin Greta Keller bestreiten?

Andrea Eckert: André Heller und ich haben im Jüdischen Museum anlässlich der Erinnerung an die Novemberpogrome einen Liederabend gemacht, der vom TV aufgezeichnet wurde. Wir wollten ein Folgeprojekt ins Leben rufen, mit einem konkreten Thema. Heller hat Greta Keller noch gut gekannt und mir oft ihre Lieder vorgespielt. So habe ich Volkstheater-Direktor Michael Schottenberg diesen Abend vorgeschlagen. Der Gedanke hat ihm gut gefallen – es gibt eine Anekdote, dass Keller als Elevin am Volkstheater begann. Er hatte dann die Glücksidee, Rupert Henning einzuladen, das Stück zu schreiben, Regie zu führen. Nun ist es durch ihn ein Stück über drei Frauen geworden.

Woraus besteht der Rahmen der Lieder?

Es gibt eine Wienerin namens Fini, die Keller ein Leben lang verehrt. Die Enkelin Finis findet nach dem Tod ihrer Großmutter einen Koffer, in dem sich unzählige Andenken an die Sängerin befinden. Das ist der Ausgangspunkt für das Stück. Anfangs hielt ich es für unrealisierbar, drei Frauen zu spielen, doch unter der kundigen Regie von Henning wurde es zu einer Herausforderung, die machbar schien. Der gesprochene Text und die Lieder halten sich die Waage. Völlig neu für mich sind die rasanten Rollenwechsel.

Was fasziniert Sie an Greta Keller? Was sind die wichtigen Stationen ihres Lebens?

Sie ist ihren Träumen und sich selber ein Leben lang treu geblieben. Nachdem ihre Karriere gut begonnen hatte, entschied sie sich 1938, das Land zu verlassen, obwohl sie von den Nazis ungemein hofiert wurde. Sie hat das nie an die große Glocke gehängt, und es ehrt sie in jeder Hinsicht. Umso mehr, als sie kein politischer Mensch war wie zum Beispiel Dorothea Neff, an die das Volkstheater ehrenvollerweise letztes Jahr erinnert hat mit dem Stück „Du bleibst bei mir“ von Felix Mitterer. Kellers große Katastrophen haben woanders stattgefunden. Ihr Mann, der ihre große Liebe war, wurde ermordet. Sie hat bei dieser Aufregung ihr Kind verloren. Dieses Erlebnis hat sie an den Rand ihrer Existenz gebracht, trotzdem hat sie Haltung bewahrt und weitergemacht. Ich ziehe den Hut vor dieser Frau. Sie hat in den USA unglaublich viel auf die Beine gestellt, ist in vielen großen Städten dieser Welt aufgetreten und hatte in New York ihren eigenen Club – das legendäre „Chez Greta“.

Haben Sie ein Lieblingslied von ihr?

Alle! Ihr Repertoire ist riesig, von Schubert über Wienerlieder bis hin zu englischen Songs und Chansons. Sie war in vielen Sprachen zu Hause. Man nannte sie die Dame mit der rostroten Stimme. Die Aura von Marlene Dietrich, die zum Filmstar wurde und zu der es manche Parallelen gibt, hatte sie nicht. Deshalb wurde Keller auch ein wenig vergessen; zu Unrecht. Sie war eine große Künstlerin. Eine Sirene der Nostalgie: Man sagte von ihr, sie singe so, dass auch Menschen, die vorher noch nie in Wien waren, Sehnsucht nach dieser Stadt bekommen.

Die Anregung zum Stück kommt von Heller, mit dem Sie eine langjährige, stürmische Beziehung hatten. Ist es leichter, mit jemandem zusammenzuarbeiten, wenn man nicht mehr zusammen ist?

Es ist alles leichter, wenn man nicht mit jemandem zusammenlebt. Unsere Beziehung hat sich in eine Freundschaft verwandelt. Das ist etwas Besonderes. Man braucht nichts mehr voneinander. Das setzt viel Potenzial für die gemeinsame Arbeit frei. Einen Liederabend mit ihm wollte ich schon in den Jahren machen, die wir zusammen waren. Das war nicht die Zeit dafür. Jetzt kommt es dazu, das macht mir Freude.

Was kommt danach?

Wenn es finanzierbar ist, möchte ich sehr gerne wieder einen Dokumentarfilm machen. Das ist eine wunderbare Sache: Menschen durch einfaches Zuhören dazu zu bringen, von sich zu erzählen, mich an ihren Gedanken und Erlebnissen, ihren Siegen und ihren Niederlagen teilhaben zu lassen. Mein Traum ist es, ein „Lebensgeschichtenarchiv“ anzulegen; Menschen wie Frederic Morton, Eric Pleskow oder Josefine Hawelka vor der Vergänglichkeit und dem Vergessen zu bewahren.

Reizt es Sie, aus denen etwas rauszulocken?

Ich bin auf der Suche nach Momenten, in denen mich mein Gegenüber in sein Innerstes blicken lässt. Es geht mir nicht um Allerweltsgespräche oder Lebensfakten, die man im Internet nachlesen kann. Einander verstehen braucht Geduld. Die habe ich. Und Empathie. Es ist manchmal schmerzhaft, sich zu erinnern. Deshalb ist es wichtig, einen geschützten Raum zu schaffen. Niemand wird hier ausgenützt. Ich respektiere Grenzen. Die Filme handeln von Menschen, die ich verehre, und natürlich wünsche ich mir, dass sie mit dem Ergebnis einverstanden sind. Bei der Premiere des Films über Walter Schmidinger zum Beispiel saß er neben mir im Berliner Ensemble. Ich hatte ihm vorher keine Szene gezeigt und war schrecklich aufgeregt, wie er ihn wohl aufnehmen wird. Plötzlich, bei einer bestimmten Stelle – ich weiß sie noch genau –, hat er meine Hand genommen und ganz fest gedrückt. Das war schön.

Sie sind ja unlängst unter die Journalisten gegangen, mit einem „Salon am Dienstag“ bei Servus TV. Wie gefällt Ihnen diese Rolle?

Die Idee des Salons, wie ihn Rahel Varnhagen von Ense, Berta Zuckerkandl und Fanny von Arnstein geführt haben, sagt mir zu: Frauen, die ein Forum spannender Persönlichkeiten um sich versammelt haben. Ich sehe mich nicht als Journalistin, sondern schlicht als Gastgeberin. Menschen interessieren mich. Ich höre gerne zu.

Hat schon jemand von Ihnen verlangt, dass eine Szene nicht gebracht wird?

Das nicht, aber ich musste einmal jemanden darauf aufmerksam machen, dass es sich um eine Aufzeichnung, nicht um ein Livegespräch handelt: Ein Gast, davor und danach bezaubernd, hat sich, kaum lief die Kamera, bemüßigt gefühlt, beleidigend zu werden. Als das zum Selbstläufer wurde, habe ich beiläufig erwähnt, es wäre vielleicht schade um die viele Mühe...

1958
Andrea Eckert wird am 17. September in Baden geboren.

1978
Eckert macht ihre Schauspielausbildung bei Dorothea Neff (2011 spielt sie die Neff im TV in einer Felix-Mitterer-Uraufführung).

1992
Eckert ist in vielen großen Rollen am Volkstheater zu sehen, als Maria Stuart, Clara S., Judith, Elektra, Penthesilea. Jahrelang läuft das Callas-Stück mit Eckert als Diva („Meisterklasse“).

2000
Eckert dreht Dokumentationen, spielt in TV-Serien, Krimis.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.09.2012)

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