Vorarlberg umwirbt spanische Facharbeiter

Den Vorarlbergern fehlen jährlich 500 Fachkräfte. Das Rekrutieren inKrisenländern soll jetzt Schule machen.

Von einem Zuwanderungsboom aus Spanien und anderen südeuropäischen Krisenländern ist auch in Österreich nicht die Rede. Aber es tut sich schon was: Im Juli dieses Jahres waren Daten des AMS zufolge um 24,7 Prozent mehr Spanier in Österreich beschäftigt als im Vorjahr. Damit schlagen die Spanier immerhin die Zuwachsraten von polnischen, tschechischen und rumänischen Arbeitnehmern, die in Österreich traditionell stark vertreten sind. Allerdings starten die Iberer von einem niedrigen Ausgangsniveau: 1742 waren im Juli 2012 in Österreich beschäftigt, um 345 mehr als im Vorjahr. Zum Vergleich: In Österreich arbeiten rund 29.000 Polen, 24.500 Rumänen und 9300 Tschechen. „Spanien war bis zur Krise ein Einwanderungsland mit guten Löhnen und wenigen Arbeitsmigranten. Erst 2008/09 hat sich das Blatt gewendet“, sagt Friedrich Steinecker, zuständig für Außenwirtschaft bei der Wirtschaftskammer (WKO).

Kuppelinitiative.Ähnlich wie Deutschland versucht jetzt auch Österreich, durch gezielte Maßnahmen spanische Fachkräfte ins Land zu holen. Die WKO hat dafür ein Matchmaking-Tool entwickelt, in dem heimische Unternehmen Stellenausschreibungen platzieren und spanische Arbeitnehmer sich gezielt bewerben können. Die Plattform geht Ende September online, Ende November werden in Madrid und Barcelona Treffen zwischen den aussichtsreichsten Kandidaten und den rund zwanzig Unternehmen arrangiert. Damit adaptiert die WKO österreichweit ein System, das in Vorarlberg entwickelt und bereits erfolgreich umgesetzt wurde. Im westlichsten Bundesland ist der Facharbeitermangel besonders frappant: Der Bedarf an 400 bis 500 Facharbeitern jährlich kann nicht durch heimische Arbeitskräfte gedeckt werden.

Die Nachfrage aus Spanien war groß: „In den vier Wochen, in denen unsere Matchmaking-Plattform im Juni online war, haben sich 2000 Bewerber für rund 50 ausgeschriebene Stellen gemeldet“, erzählt Christina Marent von der Wirtschaftskammer Vorarlberg (WKV). Gesucht wurden vor allem Facharbeiter in technischen Branchen, von der Elektronik und Informationstechnologie über Maschinenbau und den Bausektor bis zur Plastik- und Automobilzulieferindustrie. Firmen wie Zumtobel oder Omicron beschäftigen mittlerweile spanische Facharbeiter. Bei den 13 rekrutierenden Firmen aus Vorarlberg sind letztendlich 20 Spanier untergekommen. Weitere Rekrutierungen sind geplant. „Für Vorarlberg ist es besonders wichtig, dass wir uns als Wirtschaftsstandort gut präsentieren, da die Region in Spanien nicht bekannt ist.“ Damit die Spanier wirklich langfristig bei den Unternehmen bleiben, wird ihnen die Eingewöhnung so leicht wie möglich gemacht. Die WKV unterstützt die angeworbenen Neuankömmlinge bei der Wohnungssuche, organisiert Sprachkurse und vernetzt sie untereinander. „Deutschkenntnisse waren keine Voraussetzung bei der Bewerbung“, sagt Marant. „Englisch ist bei den meisten Technologieunternehmen sowieso die Verkehrssprache. Und das konnten die Kandidaten ausgezeichnet.“ Einige hätten auch schon etwas Deutsch gekonnt. In Spanien sei ein regelrechter Run auf Deutschkurse im Gange, weiß Steinecker: „Erstmals ist Deutsch in den Sprachschulen stärker nachgefragt als Englisch.“

Zielland Griechenland. Die Vorarlberger Initiative wurde gezielt an den Universitäten in Madrid und Barcelona und bei einigen spanischen Partnerinstitutionen beworben. „Wenn wir das groß über die Medien spielen würden, hört das Telefon gar nicht mehr auf zu läuten“, ist sich Robert Punkenhofer, österreichischer Wirtschaftsdelegierter in Barcelona, sicher.

Während die Rekrutierung in Spanien langsam in Gang kommt, plant die WKO bereits Maßnahmen in anderen Krisenländern. „Griechenland hat einen interessanten Pool für Tourismusfachkräfte. Da organisieren wir Anfang Oktober eine Jobmesse“, sagt Steinecker. Auch Irland und Portugal hat man bereits ins Visier genommen. Steinecker ist überzeugt: „Osteuropa ist abgegrast. Wir müssen neue Märkte anzapfen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2012)

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