"Bis Ende des Jahres brauchen wir eine halbe Milliarde Euro"

Mit Reformen hofft Sloweniens Finanzminister die Zahlungsunfähigkeit abzu- wenden. Doch er schließt nicht aus, dass EU-Hilfe nötig wird.

Ihr Ministerpräsident Janez Janša hat kürzlich gesagt, dass Slowenien im Oktober zahlungsunfähig sein könnte, wenn es keine Staatsanleihen an den Mann bringt. Teilen Sie als Finanzminister diese Einschätzung?

Janez Šušteršič: Natürlich befinden wir uns in schwierigen Zeiten. Aber wir als Regierung müssen die notwendigen Reformen noch im Herbst vorantreiben. Je mehr wir dabei zustande bringen, umso wahrscheinlicher ist es, dass wir keine Bail-outs brauchen und uns selbst refinanzieren können.

Wie hoch ist denn Sloweniens Kapitalbedarf zurzeit?

Bis zum Ende des Jahres brauchen wir vielleicht eine halbe Milliarde Euro. Doch Slowenien hat noch mehrere Alternativen: Wir können heimische Kredite aufnehmen oder T-Bills (Anleihen mit sehr kurzer Laufzeit; Anm.) ausgeben. Aber es stimmt, dass eine erfolgreiche Ausgabe von Staatsanleihen bis Ende des Jahres sehr hilfreich wäre.

Egon Zakrajsek, Vizechef der Geldpolitikabteilung bei der US-Notenbank, glaubt, dass es nur noch eine Frage von Monaten ist, bis Slowenien das Geld ausgeht.

Das ist Zakrajseks Meinung.

Ihr Premier hat das Gleiche gesagt.

Da kommt es auf den Kontext an. Zakrajsek ist ein Analyst, der die Situation als Outsider betrachtet. Er hat nur Informationen zu Verfügung, die veröffentlicht sind.

Und Premier Janša?

Er gab eine Warnung an die slowenische Öffentlichkeit und die Innenpolitik ab, dass wir die geplanten Reformen ernst nehmen und schnell umsetzen müssen. Wenn wir morgen Finanzhilfe bräuchten, würden wir es vorher nicht im Fernsehen ankündigen.

War es klug vom Premier, vor der Zahlungsunfähigkeit Sloweniens zu warnen?

Es ist klug, die Bevölkerung wissen zu lassen, dass wir in einer schwierigen Situation sind, um damit Verständnis für Pensions- und Arbeitsmarktreformen zu schaffen.

Ihre Regierung kann doch diese seit Jahren verschleppten Reformen unmöglich noch im Herbst durchziehen.

Die Regierung ist seit Februar im Amt. Das Arbeitsministerium hat inzwischen Gesetzesvorschläge für die Reform des Pensionssystems und des Arbeitsmarkts ausgearbeitet. Zunächst wird es Diskussionen innerhalb der Koalition geben, danach Debatten im Parlament, aber bis zum Ende des Jahres können die Reformen verabschiedet werden.

Haben Sie denn bis Ende des Jahres Zeit?

Schon Ende September verabschieden wir ein Bankengesetz und Staatsholdinggesetz, das künftige Privatisierung erleichtern soll.

Welche Betriebe wollen Sie privatisieren?

Adria Airways muss restrukturiert werden, ebenso wie natürlich die Nova Ljubljanska Banka. Doch auch bei Firmen, die in besserer Verfassung sind, gibt es keinen Grund, dass der Staat weiterhin Anteile hält: die Telekom, der große Versicherer Triglav oder die Ölfirma Petrol.

Ist es nicht absurd, dass Janša dieselben Reformen anstrebt, die er vor einem Jahr in der Opposition blockiert hat: höheres Pensionsalter und eine Lockerung des Arbeitsmarktes?

Es gibt Unterschiede zwischen den jetzigen Vorschlägen und der Pensionsreform, die im Referendum vor einem Jahr abgelehnt wurde, das übrigens die Gewerkschaften angeregt haben.

Wäre Slowenien jetzt besser dran, wenn die Reformen nicht durch das Referendum blockiert worden wären?

Diese These kann man durchaus aufstellen. Im Juni hat das Parlament ein Budgetgesetz beschlossen, das Kürzungen von Sozialleistungen und Einkommen im öffentlichen Sektor vorsah. Diesmal haben die Gewerkschaften auf ein Referendum verzichtet. Das ist eine der Lektionen, die wir gelernt haben. Vielen Leuten ist heute bewusster, was auf dem Spiel steht: Auch wenn man vielleicht einzelne Maßnahmen nicht mag, ist es besser zu überleben, als alles zu blockieren.

Was steht auf dem Spiel für Slowenien? Wie erklären Sie die jetzige Situation den Bürgern?

Es ist sehr einfach. Wir hatten seit drei oder vier Jahren kein Wirtschaftswachstum, wir hatten eine der tiefsten Rezessionen in Europa, die Banken gewähren Unternehmen keine neuen Kredite. Wenn wir die jetzige Lage nicht ändern, wird es weniger Jobs geben, und der Lebensstandard sinken. Die Krise wird tiefer werden.

Wird es diesmal kein Referendum geben?

Wir werden mit den Gewerkschaften verhandeln, um das Gesetz, wenn nötig, zu ändern. Die Ablehnung der Reformen im Referendum hat nichts gelöst. Ich war lange ein starker Befürworter von Referenden. Aber in Zeiten wie diesen ist es praktisch unmöglich, über jede Entscheidung der Regierung abstimmen zu lassen. Sonst kann sich Slowenien nirgendwohin bewegen.

Können Sie ausschließen, dass Slowenien trotz aller Bemühungen letztlich doch Finanzhilfen der EU oder des IWF benötigt?

Das schließen wir nicht aus, aber wir werden alles tun, um dieses Szenario abzuwenden. Das hängt von den Maßnahmen ab, die wir treffen, und auch von der wirtschaftlichen Entwicklung, die nicht günstig scheint. Es gibt viel Ungewissheit.

Welche Auswirkungen hätten weitere Komplikationen in Griechenland auf Slowenien?

Slowenien ist kein großer Gläubiger Griechenlands. Aber Schwierigkeiten in Griechenland haben natürlich Folgen für die Glaubwürdigkeit der Eurozone. Und das würde wahrscheinlich die Zinsen für unsere Anleihen hinauftreiben. Das wäre ein Problem für uns.

Hat Ihre Regierung Notpläne für den Fall, dass Griechenland aus der Eurozone austritt?

Dafür hat Slowenien keinen eigenen Plan. Denn in diesem Fall müssten die europäischen Institutionen zusammenarbeiten. Aber wir haben natürlich Pläne dafür, wie die slowenische Nationalbank auf diverse Instabilitäten auf dem Finanzsektor reagieren könnte, und zwar unabhängig davon, ob der Schock aus einem Austritt Griechenlands aus der Eurozone oder anderen Gründen resultiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2012)

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