Die Gleichung der Macht lautet: Staat + Lukaschenko = Grundversorgung.
Aus sicherer Entfernung fällt es nicht sonderlich schwer, sich über Alexander Lukaschenko lustig zu machen: Der rüstige Agromechaniker mag Sport, Schnauzbärte und Sowchosen, seine Gegner beschimpft er als schwule Weicheier, und in der Öffentlichkeit tritt er am liebsten in Begleitung seines achtjährigen Sohnes Kolja auf, der am Hofe des weißrussischen Autokraten die Rolle des im Partnerlook gekleideten Glücksbringers zu spielen hat. Gäbe es einen Preis für den weltbesten Operettendiktator, müsste Lukaschenko wohl nur Gurbanguli Berdymuchamedow, den turkmenischen Sultan des Universums, als ernsthafte Konkurrenz fürchten.
Für politisch ambitionierte Untertanen, die nicht in dieses Libretto einstimmen wollen, hält sich der Spaß allerdings in engen Grenzen. Und auch die Mehrheit der Weißrussen, die (wie zuletzt am Sonntag) ihr Kreuz dort macht, wo es ihr befohlen wird, hätte Besseres verdient. Dass sich dieses Bessere trotz aller internationalen Bemühungen nicht materialisieren will, hat damit zu tun, dass Lukaschenko seinen Autokratenjob relativ gut macht. In Minsk hat man nämlich eine wichtige Lektion aus dem Zusammenbruch des Ostblocks gezogen: Je weniger die Bürger zu verlieren haben, desto instabiler das Gefüge.
Aus dieser Perspektive betrachtet ist der steinzeitliche Staatssektor, der Weißrusslands Ökonomie prägt, keine Aberration, sondern Absicht: Das Gros der Familien frisst aus der öffentlichen Hand, die Zauberformel lautet Staat + Lukaschenko = Grundversorgung. Solange sich an dieser Gleichung nichts ändert, bleibt das Machtsystem hermetisch dicht.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2012)