Die Notenbanker und ihre ziemlich illegale Eurorettung

Die Europäische Zentralbank versucht zu klären, ob sie das, was sie seit Langem tut, auch darf. Das ist originell. Zumal niemand fragt, ob das, was sie tut, auch hilft.

Irgendwie ist es schon ein Kreuz. Da ringt sich die Europäische Zentralbank nach langem Hin und Her dazu durch, den Märkten endlich jenes klare Signal zu geben, auf das sie so lange gewartet haben. Um dann genau dafür kritisiert zu werden. Seit Monaten wird die EZB von aller Welt dazu gedrängt, ihre Notenpresse endlich auf vollen Touren laufen zu lassen, um zu zeigen, dass sie den Euro mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen wird. Das, so das Kalkül, sollte nicht nur jenen Spekulanten das Handwerk legen, die ihr Geld auf den ökonomischen Untergang einzelner Euroländer setzen, sondern auch die europäische Wirtschaft stabilisieren.

Anfang September haben die Zentralbanker Europas den drängenden Rufen aus der Politik dann auch nachgegeben, indem sie verkündeten, unbeschränkt Staatsanleihen europäischer Krisenländer aufzukaufen. Damit war klar, dass es sinnlos ist, auf die Pleite eines Eurolandes zu spekulieren. Weil nämlich kein Mitglied der Eurozone bankrottgehen, sondern zuvor mit frisch gedrucktem Geld aus den Kellern der EZB aufgefangen werden wird.

Mission erfüllt, Problem gelöst? Mitnichten. Für den unbeschränkten Ankauf von Staatsanleihen fehlt der EZB in den Augen ihrer (vor allem deutschen) Kritiker nämlich das Mandat, sie begeht also Rechtsbruch. Juristen der EZB und der Deutschen Bundesbank sollen nun ausloten, ob dem tatsächlich so ist. Die EZB prüft also, ob das, was sie seit einer ganzen Weile mit den Geldern der Europäer anstellt, auch tatsächlich legal ist.

Aus der Sicht des früheren Chefökonomen der Europäischen Zentralbank, Jürgen Stark, könnte sich die EZB diesen Schritt eigentlich sparen. So sagte Stark der „Presse“ in einem Interview vom vergangenen Samstag, dass die EZB mit dem Ankauf von Staatsschulden definitiv ihr Mandat überschreite. Während EZB-Direktor Ewald Nowotny im „Presse“-Chat davon ausgeht, dass er und seine Kollegen rechtmäßig handeln. Na klar, möchte man meinen, alles andere käme auch einer Selbstanzeige gleich. Schließlich hat Nowotny im Namen der Republik Österreich dem unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen zugestimmt.

Nowotny stützt sich darauf, dass die EZB mit ihrem Vorgehen die Preisstabilität des Euro absichere. Immerhin sei der Ankauf von Staatsschulden ja mit strengen Auflagen verbunden, etwa der geforderten Sanierung der Haushalte in den betroffenen Ländern. Genau das ist für Stark das Problem. Eine unabhängige Geldpolitik stellt nämlich keine Bedingungen. Sie flutet die Märkte mit billigem Geld, wenn hinter der nächsten Ecke die gefürchtete Deflation lauert. Sie entzieht den Märkten Geld, wenn sich eine Preisinflation ankündigt. Und damit Punkt. Verknüpft sie ihr Handeln mit Auflagen, betreibt die Zentralbank Fiskalpolitik und greift damit in die Hoheitsrechte der Politik ein – zweifelsfrei ein rechtswidriger Vorgang, weil ihr dafür das Mandat fehlt.


Bleibt noch die Frage, ob diese juristische Debatte überhaupt von Bedeutung ist. Die Antwort kann nur ein klares Ja sein. Erstens, weil es bemerkenswert ist, dass das Handeln der Europäischen Zentralbank überhaupt im Verdacht steht, geltendem Recht zu widersprechen. Weil nämlich – zweitens – die Glaubwürdigkeit von Papiergeld ausschließlich von jener der dahinterstehenden Institution abhängt und sich drittens ein kollektiver Rechtsbruch durch europäische Rechtsstaaten nicht besonders gut macht. Viertens sollte der budgetäre Schlendrian überforderter Regierungen niemals eine hinreichende Begründung dafür liefern, beschlossene Verträge als Hürde zu begreifen, die es möglichst geräuschlos aus dem Weg zu räumen gilt.

Das alles ändert leider nichts daran, dass diese Diskussion zu spät kommt. Der „Point of no Return“ ist längst überschritten. Die EZB kann das Anleihenankaufprogramm nicht mehr rückgängig machen. Bleibt also nur noch die Hoffnung, dass es zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit gelingen möge, budgetäre Probleme ausgabefreudiger Staaten wegzudrucken. Genährt vom unerschütterlichen Glauben daran, dass die nationalen Regierungen der Problemländer die Währungsunion tatsächlich nicht mehr für einen Geldesel halten.

Dieser Optimismus ist zwar reichlich naiv – aber wenigstens legal.

E-Mails an: franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2012)

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