Inselstreit: Ostasiatische Wasserschlacht

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Im japanisch-chinesischen Zwist um fünf unbewohnte Inseln im Ostchinesischen Meer steigt nun auch Taiwan in den Ring. Taiwanische und japanische Schiffe lieferten sich ein Scharmützel - mit Wasser.

Peking. Seit Wochen streiten China und Japan um fünf unbewohnte Inseln im Ostchinesischen Meer. In beiden Ländern kam es bereits zu nationalistischen Protesten. Und auch mit Militärschlägen haben ranghohe Politiker und Generäle beider Länder gedroht. Am Dienstag ist es nun tatsächlich zum ersten Gefecht um die Inseln gekommen, die die Japaner Senkaku nennen und die Chinesen Diaoyu – aber nicht zwischen Japan und China. Die Auseinandersetzungen lieferten sich Japaner mit Taiwanesen.

Begleitet von zehn Booten der Küstenwache haben sich am frühen Morgen rund 50 taiwanische Fischerboote den Inseln bis auf zwölf Seemeilen genähert. Japanische Patrouillenboote warnten zuvor per Lautsprecher, dass die Fischer unerlaubt in japanische Gewässer vordringen würden. Doch die Flotte steuerte unbeirrt auf die Japaner zu. Erst als die japanischen Boote Wasserwerfer einsetzten, kehrten die Taiwaner um. Der japanische Fernsehsender NHK zeigte auch Bilder, auf denen die taiwanischen Boote mit Wasserwerfern zurückschossen. Inzwischen hat sich die Lage beruhigt.

Öl- und Gasvorkommen vermutet

Die japanische Regierung sieht den Vorstoß des eigentlich befreundeten Nachbarn als eine „ungeheure Provokation“ und legte Protest ein. Taiwan wurde zwar bis zum Zweiten Weltkrieg ebenfalls von Japan unterdrückt. Doch weil die von den Kommunisten regierte Volksrepublik wiederum Taiwan als abtrünnige Provinz betrachtet und die Regierung in Taipeh nicht anerkennt, gelten Taiwan und Japan als Verbündete.

Im Streit um die Diaoyu/Senkaku-Inseln scheinen viel beschworene Freundschaften indes keine Rolle mehr zu spielen. So wie Tokio und Peking Anspruch auf die Inseln erheben, hat es auch Taipeh auf das Gebiet abgesehen. Neben den Fischbeständen im umliegenden Gewässer vermuten alle drei Regierungen große Öl- und Gasvorkommen.

Auslöser für die jüngste Zuspitzung war der Kauf von drei der fünf Inseln durch die japanische Regierung von einem Privatmann. Sie wollte dem Gouverneur der Stadt Tokio zuvorkommen, der als populistischer Nationalist mit antichinesischen Parolen auf Stimmenfang ist und die Inseln aufkaufen wollte. Doch Peking sah diesen Kauf als Provokation an und schürte wiederum in China antijapanische Proteste. In einigen Städten kam es sogar zu Übergriffen auf vermeintlich japanische Einrichtungen.

In Taiwan wiederum hat sich Premierminister Ma Ying-Jeou an die Spitze der antijapanischen Bewegung gesetzt. Im August hatte Ma zwar vorgeschlagen, die vermuteten Rohstoffressourcen gemeinsam anzugehen. Auf die Souveränitätsansprüche will aber auch er nicht verzichten.

Nach Japans verlorenem Weltkrieg gingen die Inseln zunächst an das US-Militär. Anfang der 1970er-Jahre übergaben die Vereinigten Staaten sie aber an Japan – damals unter heftigem Protest der Taiwaner. Die Volksrepublik steckte damals noch zu sehr in den Wirren der Kulturrevolution, um sich mit den Inseln zu beschäftigen. Erst seit Mitte der 1990er-Jahre erhebt auch China verstärkt Anspruch. Schon in den 1970er-Jahren ganz vorne bei den Protesten in Taiwan dabei: Ma Ying-Jeou. Seine Politisierung geht auf den Inselstreit zurück.

Erster chinesischer Flugzeugträger

Parallel zum japanisch-taiwanischen Inselstreit traf Japans Vizeaußenminister Chiwao Kawai am Dienstag in Peking auf seinen chinesischen Kollegen Zhang Zhijun. Zu einer Annäherung kam es aber nicht. „China wird niemals ein einseitiges Handeln Japans tolerieren, das die chinesische territoriale Souveränität beeinträchtigt“, hieß es aus dem chinesischen Außenministerium. Japan wiederum pocht auf „seine territoriale Unversehrtheit“.

Ebenfalls am gleichen Tag hat Chinas Verteidigungsministerium verkündet, dass die chinesische Marine ihren ersten Flugzeugträger erhalten habe. Wann das Kriegsschiff seinen Dienst aufnehmen wird, ging aus der Ankündigung nicht hervor.

Auf einen Blick

Die USA kontrollierten nach dem zweiten Weltkrieg die umstrittenen Inseln, Anfang der 1970er-Jahre übergaben sie den Archipel an Japan – unter heftigem Protest Taiwans. China steckte zu dieser Zeit in den Wirren der Kulturrevolution und zeigte kein Interesse an der Inselgruppe. Erst seit Mitte der 1990er-Jahre erhebt Peking verstärkt Anspruch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2012)

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