Spanien: Nördliche Regionen streben nach Unabhängigkeit

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Am Sonntag wird im Baskenland gewählt, im November in Katalonien. Die anti-spanischen Parteien liegen vorn.

Madrid. Die Schulden drohen Spanien zu erwürgen, mit der Wirtschaft geht es bergab – und nun droht das Königreich auch noch auseinanderzufallen. In den nördlichen Regionen Katalonien und Baskenland wächst der Unabhängigkeitswille, angefacht vom Beispiel Schottlands, wo 2014 über eine Abspaltung von Großbritannien abgestimmt wird. Und auch vom Glauben, dass es in Krisenzeiten allein besser gehen könnte als unter spanischem Dach. Die konservative Zentralregierung in Madrid will von einem Abschied nichts wissen: Unabhängigkeitsreferenden wie in Schottland seien auf der iberischen Halbinsel „nicht möglich“.

Doch es sieht nicht danach aus, als ob sich die Autonomie- und Unabhängigkeitsgelüste aufhalten ließen. In Katalonien, Spaniens wirtschaftsstärkster Region, steht sogar die Frage für eine Volksabstimmung bereits fest: „Sind Sie dafür, dass Katalonien ein neuer Staat der Europäischen Union wird?“ Europa ja, Spanien nein, lautet die Marschrichtung der Katalanen, welche schon immer von sich behauptet haben, eine „eigene europäische Nation“ zu sein.

ETA tötete 830 Menschen

In beiden Regionen wird demnächst gewählt, und in beiden rechnen sich die antispanischen Parteien einen großen Erfolg aus. Zuerst sind am kommenden Sonntag die 2,1 Millionen Basken dran, deren Unabhängigkeitswille kaum geringer ist als der der Katalanen. Ein Wille, der sich auch gewaltvoll Bahn zu brechen versuchte: Jahrzehntelang kämpfte die Terror-Organisation ETA mit Bomben und Kopfschüssen für einen eigenen baskischen Staat. Rund 830 Menschen fielen diesem Kampf zum Opfer, darunter zahlreiche Polizisten und Lokalpolitiker. Vor einem Jahr hatte die ETA das „definitive Ende der Gewalt“ verkündet und überlässt seitdem ihren politischen Helfern den Kampf für einen langsamen Abschied von Spanien.

Der derzeitige Helfer ist die separatistische Parteienkoalition Bildu, die als politische Geburt der ETA-nahen Szene gilt und zweitstärkste Kraft bei der Wahl werden dürfte, hinter der Baskischen Nationalistischen Partei (PNV), der der Sieg vorausgesagt wird. Die Partei war bis auf die vergangene Legislaturperiode seit dem Ende der Franco-Diktatur im Baskenland an der Macht. Den seit 2009 regierenden prospanischen Sozialisten unter ihrem Chef Patxi Lopez wird hingegen ein tiefer Sturz prognostiziert, ähnlich wie der konservativen Volkspartei des spanischen Premierministers Mariano Rajoy, die im abtrünnigen Baskenland ohnehin noch nie viel zu melden hatte.

Ziel: „Baskische Nation innerhalb der EU“

PNV-Chef Inigo Urkullu, vermutlich der künftige baskische Regierungschef, ist in Sachen Unabhängigkeit allerdings weniger hitzig als sein katalanischer Kollege Artur Mas, er denkt an ein Referendum erst für das Jahr 2015. Urkullu will mit der Zentralregierung in Madrid zunächst „einen neuen politischen Status“ für seine Scholle aushandeln, sprich eine weitergehende Selbstverwaltung herausschlagen. Langfristig hat aber auch seine Baskenpartei nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass sie als Fernziel eine unabhängige „baskische Nation“ innerhalb der EU anstrebt.

Gewählt wird am 25. November auch in Katalonien, und dieser Tag wird ein wichtiger Stimmungstest für die Gefühlslage in der Region sein, in der etwa 7,5 der 47 Millionen Einwohner Spaniens leben. Regierungschef Artur Mas, der wortgewaltige Anführer der Unabhängigkeitsbewegung, will seinen Abspaltungskurs mit der vorgezogenen Wahl absegnen lassen. Und es sieht danach aus, als ob er seine Mehrheit, mit der er seit Dezember 2010 an der Spitze der Regionalistenpartei CiU regiert, diesmal sogar noch ausbauen wird können.

Abspaltung „mit allen Mitteln verhindern“

Obwohl nicht alle Katalanen, die seit Jahrhunderten ihre eigene Sprache und Kultur pflegen, dem Königreich Spanien feindlich gegenüberstehen, sind den Umfragen zufolge doch die meisten Bürger zumindest für einen größeren Abstand zu Spanien. Der Wind weht also jedenfalls in Richtung wachsende Autonomie in Katalonien. Dass daraus einmal eine komplette und einseitige Abtrennung vom Königreich wird, ist derzeit eher unwahrscheinlich. Auch weil Spaniens Zentralregierung keinen Zweifel daran lässt, dass man dies „mit allen Mitteln“ verhindern wolle.

Auf einen Blick

Im Baskenland finden am Sonntag Regionalwahlen statt. In Umfragen führen die gemäßigten Nationalisten, die die sozialistische Minderheitsregierung ablösen könnten. Mit Ausnahme der vergangenen Legislaturperiode hat die PNV seit dem Übergang Spaniens zur Demokratie im Baskenland regiert. PNV-Chef Inigo Urkullu will im Jahr 2015 über die Unabhängigkeit abstimmen lassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2012)

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