Uni: Die soziale Schicht entscheidet

soziale Schicht entscheidet
soziale Schicht entscheidet(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Immer noch studieren Akademikerkinder deutlich häufiger als Kinder aus niedriger sozialer Schicht. Bräuchte es mehr Information oder doch eine Quote?

Wien. Ein Uni-Studium ist immer noch ein Privileg der gehobeneren Schicht: Dass die Aussage nicht ganz von der Hand zu weisen ist, das zeigt nicht zuletzt die Studierendensozialerhebung. Demnach stammen nur 18 Prozent der Studierenden – definiert anhand von Bildungsstand und beruflicher Position der Eltern – aus bildungsfernen Schichten. Die Chance, ein Studium zu beginnen, ist für Kindern aus Akademikerhaushalten insgesamt dreimal so hoch wie für Kinder, deren Eltern weniger gut ausgebildet sind. Das Problem ist schon lange bekannt. Eine zufriedenstellende Lösung wurde bislang aber noch nicht gefunden. Dabei gebe es einige sehr unterschiedliche Vorschläge:

•Die Quote: Geht es nach Oliver Vitouch, den neuen Rektor der Uni Klagenfurt, sollte sich Österreich ein Beispiel an den USA nehmen. Dort wird ein gewisser Anteil der Studienplätze bevorzugt an Studierende vergeben, die einer ethnischen Minderheiten angehören. Für Vitouch ist eine derartige Quote auch im Hinblick auf eine höhere soziale Durchmischung denkbar. „Es wäre sinnvoll, in überlaufenen Fächern eine Quote für Studienanfänger festzulegen, deren Eltern keine Matura haben“, sagt Vitouch im Gespräch mit der „Presse“.

•Mehr Information: Katja Urbatsch, die Gründerin der Initiative „arbeiterkind.de“, steht einer solchen Quote kritisch gegenüber. Ihr Argument: Erhalten Personen aufgrund einer vorgegebenen Quote einen Studienplatz, würde stets an ihrer Leistung gezweifelt. Im Zusammenhang mit einer besseren sozialen Durchmischung sei die Information von enormer Bedeutung. Bereits in der Schule sollte gezielt über das Studium informiert werden. Besonders wichtig ist die Information dann, wenn Bildungswegentscheidungen anstehen. Man müsse Perspektiven aufzeigen, Mut machen, das Selbstbewusstsein stärken und Vorbild sein. Denn viele Kinder aus niedrigeren sozialen Schichten würden davon ausgehen, „dass studieren nur etwas für Reiche“ ist, so Urbatsch.

•Finanzierung: Die Hochschülerschaft (ÖH) sieht wiederum die Finanzierung des Studiums als wesentlichen Grund dafür, dass sich viele Jugendliche aus niedrigen sozialen Schichten gegen ein Studium entscheiden. Und tatsächlich zeigt die Sozialerhebung, dass 88 Prozent der Studierenden aus niedriger sozialer Schicht neben ihrem Studium aufgrund von finanzieller Notwendigkeit einem Job nachgehen. Die ÖH fordert deshalb eine Erhöhung der staatlichen Beihilfen. Langfristig will sie ein Grundstipendium für alle Studierenden. Als kurzfristige Maßnahme schlägt Angelika Gruber vom ÖH-Vorsitzteam vor, die Familien- und Studienbeihilfe an die Inflation anzupassen. Auf die Studienbeihilfe soll bei der Inskription ein automatischer Antrag gestellt werden und die Familienbeihilfe direkt ausbezahlt werden. Auch das Uni-Ministerium sieht Handlungsbedarf. Zwar stünden derzeit (inklusive Leistungsstipendien) jährlich bereits rund 190 Millionen Euro für die Studienförderung zur Verfügung, man wolle das System aber weiter ausbauen. Derzeit wird evaluiert.

•Orientierungsphase: Es gibt jedoch auch erfreuliche Trends. Der Anteil der Studienanfänger aus bildungsfernen Schichten ist in den vergangenen Jahren gestiegen, erklärt Martin Unger, Herausgeber der Studierendensozialerhebung. Und dennoch: Studierende aus bildungsfernen Schichten brechen das Studium signifikant häufiger ab – und zwar kurz nach Studienbeginn. Hauptgrund dafür: die doppelte Belastung durch Studium und Berufstätigkeit. Die gestiegenen Anforderungen durch die Studieneingangs- und Orientierungsphase (STEOP) hat die Situation für die Studierenden zusätzlich erschwert, klagt die ÖH und spricht sich für eine Reform der Orientierungsphase aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2012)

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