Gesundheitsreform: Konflikt mit den Ärzten spitzt sich zu

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Gesundheitsminister Alois Stöger fordert Ärztekammer-Präsident Artur Wechselberger zur Mäßigung auf. Doch die Kammer bangt um ihren Einfluss - und bereitet weitreichende Protestmaßnahmen vor.

Wien. Die sonst eher monotone Stimme des Gesundheitsministers war am Dienstag merklich von Ärger durchdrungen. Ärger über die Ärztekammer nämlich, die in einer Kampagne gerade die Folgen der Gesundheitsreform skizziert. „Mein Arzt ist weg“, lautet einer der Slogans – „Unser Spital ist weg“, ein anderer. Darunter fragt die Standesvertretung stellvertretend für den Patienten: „Wo geh' ich jetzt hin, wenn meine Kinder krank sind?“

„So geht das nicht“, stellte Alois Stöger (SPÖ) im Gespräch mit der „Presse“ klar. Aufgabe der Kammer sei es, „die Ärzte zu vertreten, aber nicht die Patienten zu verunsichern“. Also setzte der Minister einen Brief auf, in dem er Ärztekammer-Präsident Artur Wechselberger zur Mäßigung mahnt: Es könne nicht sein, dass die Ärzte angehalten werden, „das Vertrauensverhältnis zum Patienten zu missbrauchen, um Misstrauen gegen die Gesundheitsreform zu säen“, heißt es in dem Brief. Vor allem, weil es sich um falsche Behauptungen handle: Weder Ordinationen noch Spitäler würden geschlossen.

Unterzeichnet ist der Brief auch von den anderen fünf Verhandlern der Gesundheitsreform – von Finanzministerin Maria Fekter, den Ländervertretern Josef Pühringer und Sonja Wehsely (Wiener Gesundheitsstadträtin) sowie von Hauptverbandschef Hans-Jörg Schelling und der Obfrau der Wiener Krankenkasse, Ingrid Reischl.

Im Dezember will die politische Steuerungsgruppe, die paritätisch mit SPÖ- und ÖVP-Vertretern besetzt ist, ein Reformkonzept vorlegen. Die wichtigste Änderung ist in Grundzügen bereits vereinbart: Arztpraxen und Spitalsbereich sollen gemeinsam von den Ländern und den Sozialversicherungen geplant und (finanziell) gesteuert werden. Bisher wurden die Patienten zwischen dem Einflussbereich der Länder (Spitäler) und jenem der Sozialversicherungen (Kassenärzte) hin- und hergeschoben. Den Rahmenplan gibt künftig der Bund vor. So sollen bis 2016 rund 3,4 Milliarden Euro gespart werden.

Die Ärzte bangen dabei um Einfluss und Mitspracherechte – zulasten des Patienten. Denn in der neuen Zielsteuerungskommission, dem entscheidenden Gremium auf Bundesebene, werden sie nicht vertreten sein. Stöger verteidigt diesen Entschluss: „Die Zahler im System, Sozialversicherungen und Länder, sollen auch entscheiden.“ Die Ärzte würden später in die Vertragsverhandlungen eingebunden.

ÖVP: Stöger ist der Schuldige

Doch damit will sich die Kammer nicht zufriedengeben. Heute, Mittwoch, kommen rund 500 Ärzte zu einem „Protestkonvent“ ins Wiener Museumsquartier. In der Vollversammlung am Nachmittag dürften dann Protestmaßnahmen beschlossen werden. Kolportiert werden Ordinationsschließungen ab Jänner, Kundgebungen und Demonstrationen. Fest steht bereits, dass sich die Ärzte am 5.Dezember in Ordinationen und auf öffentlichen Plätzen direkt an den Patienten wenden werden. Damit soll der Regierung „am Krampustag die Rute ins Fenster gestellt werden“.

ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger gab am Dienstag Stöger die Schuld an dem Konflikt mit den Ärzten. Der Minister breche ein Versprechen, weil der die Ärztekammer nicht in den Reformprozess einbinde, kritisierte Rasinger, selbst Arzt und Kammerpolitiker.

Hauptverbands-Chef Schelling schlug sich auf Stögers Seite: Man sei in den Verhandlungen übereingekommen, dass der Arzt „Begleiter des Patienten durch das Gesundheitssystem“ sein solle. Daher werde der niedergelassene Bereich in den nächsten Jahren auch „ausgebaut und nicht eingeschränkt“.

Schelling erinnerte die Ärztekammer daran, dass die Ausgaben der Sozialversicherungen, also die Zahlungen an Vertragsärzte, Jahr für Jahr steigen. Für heuer wird ein Ausgabenplus um weitere vier Prozentpunkte erwartet – auf 3,73 Milliarden Euro. Das sei „ein deutliches Bekenntnis“ der Krankenkassen zum niedergelassenen Bereich, sagte der Hauptverbands-Chef.

Auf einen Blick

In einem offenen Brief an Präsident Artur Wechselberger kritisieren Minister Alois Stöger und die Mitglieder der politischen Steuerungsgruppe für eine Gesundheitsreform die „falschen Behauptungen“ der Ärztekammer. Die Ärzte lehnen die geplanten Maßnahmen ab und drohen mit der Schließung von Ordinationen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2012)

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