Der griechische Fluch holt Merkel ein

griechische Fluch holt Merkel
griechische Fluch holt Merkel c REUTERS TOBIAS SCHWARZ
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Bis zur Bundestagswahl wollte die deutsche Regierung Athen ohne Schuldenschnitt und frisches Geld über die Runden helfen. Doch der IWF spielt offenbar nicht mehr mit. SPD und Grüne sehen ihre Stunde gekommen.

Berlin. Die Nächte in Brüssel können lang sein. Doch üblicherweise treten Europas Spitzenpolitiker nach ihren Verhandlungsmarathons mit irgendeinem Ergebnis vor die Mikrofone der Journalisten. Nicht so am Mittwoch: Die Euro-Finanzminister und der Internationale Währungsfonds konnten sich auch nach zwölf Stunden Streit nicht über die künftige Griechenland-Rettung einigen.

Was steht dahinter? Die Europäer wollen das Endziel hinausschieben. Erst 2022, zwei Jahre später als im Programm fixiert, soll Athen voll in die finanzielle Unabhängigkeit entlassen werden, immer noch mit einer Schuldenquote von 120 Prozent des BIPs. Da kann der IWF nicht mit: Der Fonds darf nach seinen eigenen Regeln kein Programm finanzieren, das die Schuldentragfähigkeit nicht wiederherstellt. Bis 2020 aber, das wissen mittlerweile alle, kommen die Griechen auf keinen grünen Zweig. Stattdessen fordert der IWF einen neuerlichen Schuldenschnitt, diesmal der öffentlichen Gläubiger – also der Eurostaaten.

Da müssen in Berlin die Alarmglocken schrillen. Denn ein solcher Schuldenschnitt wäre ein Eingeständnis, dass die Hilfe den deutschen Steuerzahler entgegen allen Beteuerungen doch etwas kostet. Anders gesagt: dass die Griechenland-Politik von Kanzlerin Angela Merkel gescheitert ist. Das muss zehn Monate vor der Bundestagswahl mit allen Mitteln vermieden werden. Die zweite Möglichkeit, den Griechen über die Runden zu helfen, wäre frisches Geld. Ein zusätzliches Rettungspaket aber bringt die Koalition aus Union und FDP nicht mehr durch den Bundestag. Zu groß ist mittlerweile der Widerstand der Abgeordneten, auch und vor allem in den eigenen Reihen.

Bleibt nur, sich bis zum deutschen Wahltermin irgendwie drüberzuretten: mit späterer Tilgung, Zinsnachlässen, zusätzlichen Bürgschaften der EFSF und einer Umschuldung auf Euro-Bills mit kurzen Laufzeiten. So ließe sich die Lücke zumindest bis 2014 oder 2016 schließen, und das würde grünes Licht für die offenen Tranchen aus dem aktuellen Hilfspaket bedeuten.

Finanzminister Wolfgang Schäuble kam auch nach der langen Nacht nicht zur Ruhe. Erst musste er alle Fraktionen über die gescheiterten Gespräche informieren, dann eilte er in den Bundestag – zur Generaldebatte über das deutsche Budget für 2013, das am Freitag beschlossen werden soll. Immer noch 17 Mrd. Euro an Neuverschuldung sieht es vor, aber kein Cent davon ist für die Abschreibung von Hellas-Krediten reserviert.

Angriff von Rot und Grün

Immerhin will die Regierung schon 2014, zwei Jahre früher, als es die Schuldenbremse in der Verfassung erfordert, einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Aber hinter dem Wort „strukturell“ verstecken sich mögliche Griechenland-Gelder, die wie ein Konjunktureinbruch oder eine Naturkatastrophe außen vor blieben.

„Sie sagen den Menschen nicht einmal die halbe Wahrheit“, donnerte der grüne Spitzenkandidat Jürgen Trittin deshalb in Richtung Merkel. SPD und Grüne sehen nun ihre Stunde gekommen: Sie hätten ja schon immer gesagt, man sollte den Bürgern reinen Wein einschenken. Gießt man ihn in ein politisches Programm, bedeutet das: Eine offen deklarierte Transferunion in Form eines Schuldentilgungsfonds. Er hätte aus rot-grüner Sicht den Vorteil, dass seine Mittel an klare Bedingungen geknüpft seien – anders als die unbegrenzten Anleihenkäufe der EZB, die eine „unkonditionierte“ Euro-Rettung durch die Hintertür darstellen würden. Die EZB sieht das freilich anders.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2012)

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