Kongo: An Frieden glaubt in Goma niemand

Kongo Frieden glaubt Goma
Kongo Frieden glaubt Goma(c) REUTERS (GORAN TOMASEVIC)
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Die Rebellengruppe M23 hat zugestimmt, sich aus der umkämpften Grenzstadt zurückzuziehen. Doch die Einwohner zweifeln aus leidvoller Erfahrung daran, dass der Konflikt bald enden wird.

Honoré Shabani Mumbere steht vor seinem mit Gittern verriegelten Geschäft. Drinnen stehen ein paar Kochherde und 150 leere Gascontainer. Die vollen Behälter haben seine Mitarbeiter in das Lager des Gebäudes gebracht. Es ist Donnerstagmittag, normalerweise eine gute Zeit für sein Geschäft, wie Mumbere meint. Doch gestern waren die Straßen der ostkongolesischen Stadt Goma menschenleer. „Wir hörten, dass die Rebellengruppe M23 abzieht“, sagt der Geschäftsmann. Seither sei in der Stadt Panik ausgebrochen. Die Bevölkerung fürchtet sich vor dem Ungewissen. Die meisten Geschäfte sind geschlossen, UN-Panzer rollen durch die Stadt, Helikopter kreisen am Himmel.

Kein Vertrauen in die Armee

Seit die M23-Miliz, eine Gruppe von Tutsi-Rebellen, die Stadt letzte Woche eingenommen hat, sei es hier ruhiger gewesen, so Mumbere. Es hätte kaum Übergriffe gegeben. Aber ein Krisentreffen am Wochenende im benachbarten Uganda wendete das Blatt. Kongos Präsident Joseph Kabila verlangte den Rückzug der Rebellen aus Goma als Voraussetzung für weitere Verhandlungen. M23-Chef Jean-Marie Runiga stimmte nach einigem Zögern zu.

Auch 2009 hatte es einen Hoffnungsschimmer auf Frieden gegeben: Damals unterzeichneten die sich bekämpfenden Rebellengruppen ein Friedensabkommen, das die Integration der Milizen in Regierungstruppen vorsah. Das Abkommen konnte für einige Jahre aufrechterhalten werden, den Rebellen wurden gute Gehälter und eine Militärkarriere versprochen. Doch im April dieses Jahres fühlten sich einige tausend Soldaten betrogen. Und sie trennten sich erneut von der Armee.

Bob Abdou hat Kongos Geschichte von Krieg und Gewalt persönlich erlebt. Er war 15 Jahre alt, als er dem kongolesischen Militär beitrat – das war 1996. Später schloss er sich der der Rebellengruppe CNDP an. Auf einem Maschinengewehr sitzend und an einem Zuckerrohr nagend sagt Abdou: „Alles, was wir wollen, ist Frieden.“ Den habe die Regierung nicht gewährleisten können. Das sei der Grund, warum er sich Anfang April von der Armee abgewendet und der M23 angeschlossen habe. „Die Armee weiß nicht, wie man Truppen anführt“, meint Abdou. Er sitzt mit Kameraden auf einem Wall, der die Schotterstraße und den Kivusee überblickt. „Deshalb können sie auch keinen Frieden garantieren.“

„Wir haben die Regierungstruppen nach Minova zurückgedrängt“, erzählte Abdou noch am Samstag stolz auf der Straße zwischen Goma und Minova, dem Stützpunkt der Regierungstruppen. Gestern kam dann plötzlich der Befehl zum Abzug. In Uniform, mit ihren Maschinengewehren bei Bier und frittierten Sardinen wartet Abdou mit seinen Kameraden in der Bar „Chez Les Amis“ in Goma auf den Rückzugsbefehl. Sie klingen enttäuscht. Sie waren kampfbereit, wollten nach Bukavu vorrücken, selbst wenn ihre 5000 Mann starke Armee den 20.000 in der Nord-Kivu-Provinz stationierten Regierungstruppen weit unterlegen ist. Hinzu kommen die rund 6000 UN-Blauhelme, die der Armee den Rücken stärken.

Doch von Kapitulation ist im „Chez Les Amis“ keine Rede. „Die Bevölkerung will nicht, dass wir gehen“, behauptet M23-Anführer Janvier Mambo Byamungu. „Sie sagen, wenn wir gehen, wird die Armee sie töten, weil sie uns unterstützt haben und weiterhin unterstützen.“ Die anderen Soldaten nicken zustimmend: „Wir sind nur 30 Kilometer entfernt.“ Sollte die Armee Goma zurückerobern wollen, stünden sie zum Kampf bereit.

Die Rebellen plünderten

Ginge es nach Mumbere, sollte sich die M23-Miliz aus der Stadt fernhalten: Die Rebellen hätten gestern alle Regierungsfahrzeuge beschlagnahmt, sagte er. Seine Schwester, die neben der staatlichen Sozialversicherungsanstalt arbeitet, habe gesehen, wie sie dort Geländewagen gestohlen hätten.

Pascal Bahati, ein Sicherheitsbeamter, bestätigt die Vorwürfe. Zwei Stunden lang hätten die Rebellen das Gebäude der Sozialversicherung geplündert. Die schwer bewaffneten Soldaten hätten neben den Gelädewagen auch Laptops mitgenommen. „Es ist immer dasselbe“, meint Mumbere. „Wenn Truppen einmarschieren, dann nehmen sie sich, was sie wollen.“ Müde fügt er hinzu: „Kein Wunder. Sie sind hungrig.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2012)

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