Warum wir (k)eine Matura brauchen

Warum keine Matura brauchen
Warum keine Matura brauchen(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Den Namen Reifeprüfung trägt die Matura nicht umsonst, sie kennzeichnet das Ende eines wichtigen Abschnitts. Gleichzeitig bleibt sie aber auch einiges schuldig.

Die Lehrer warnen vor ihr, so mancher Schüler fürchtet sie und die Eltern erzählen noch lange von ihr: Die Rede ist von der Matura. Obwohl der Reifeprüfung im Schulalltag noch immer viel Bedeutung beigemessen wird, nimmt ihr realer Wert zusehends ab. „Die Presse“ hat bei einer Podiumsdebatte bei der Tagung der niederösterreichischen AHS-Direktoren in Waidhofen/Ybbs Stärken und Schwächen der Matura gesammelt.

1Die Matura ist ein Initiationsritual: Schüler lernen Verantwortung

Die Matura hat allen anderen Prüfungen im Laufe der Schulzeit eines voraus: Sie hat etwas Ritualisiertes an sich. „Es braucht die Aufregung und die Anspannung davor, genau das macht die Matura zu dem, was sie ist“, sagt die frühere AHS-Direktorin und Bildungsexpertin Christa Koenne. Die Reifeprüfung sei ein Initiationsritual – und als solches unverzichtbar. Den Schülern werde an diesem Punkt auf durchaus eindrucksvolle Weise gezeigt, dass sie Verantwortung übernehmen müssen. Und zwar nicht nur für sich selbst – sondern auch eine gewisse gesellschaftliche Verantwortung, so Koenne.

2Die Matura ist keine Eintrittskarte: Unis wählen ihre Studenten selbst

An anderer Stelle hat die Matura aber ordentlich an Gewicht verloren. Galt sie früher als Eintrittskarte für ein Studium, ist sie das schon lange nicht mehr. Fachhochschulen und Pädagogische Hochschulen wählen seit dem Beginn ihrer Existenz ihre Studenten selbst aus. Außerdem ist an zehn der 21 Unis (sechs Kunst-Unis, drei Medizin-Unis sowie der Uni für Veterinärmedizin) der Zugang flächendeckend beschränkt, an den anderen elf existieren Beschränkungen zumindest in einigen Fächern – deren Zahl durch den Regierungsbeschluss bei der Klausur in Laxenburg vor gut einem Monat weiter erhöht wurde. Bereits im Wintersemester 2011 musste vor jeder siebten Inskription an der Uni eine Prüfung bestanden werden.

3Das Niveau wird vorgetäuscht: Lehrer trainieren ihre Schüler

Trotz des Trubels um die Reifeprüfung: Bestanden wird diese von fast allen – wenn auch nicht beim ersten Antritt. Doch selbst da ist die Durchfallquote mit rund fünf bis sechs Prozent niedrig. Selektiert wird – wenn überhaupt – schon vor der Matura. Jene Schüler, die es bis zur Matura schaffen, werden von ihren Lehrern gezielt auf die Aufgabenstellungen „hintrainiert“. Immerhin bringen die Lehrer den Schülern nicht nur den Stoff bei, sondern prüfen diesen auch ab. „Das Niveau ist ein vorgetäuschtes“, sagt Koenne. Das, was Schüler bei der Matura zeigen, ist nicht das, was sie eigentlich können. Worin die Aussagekraft der Matura unter diesem Umständen noch liegt, ist fraglich.

4 Unternehmen legen keinen großen Wert auf die Maturanoten

Dabei wäre ein aussagekräftiges Zeugnis für die Abnehmer – seien es die Unis oder Unternehmen – durchaus wichtig. Sie sollten sich darauf verlassen können, dass ein Maturant einen gewissen Wissensstand in Fächern wie Mathematik, Deutsch und Englisch mitbringt. Derzeit können und wollen sie das nicht. „Die Noten im Maturzeugnis schaue ich mir bei einer Einstellung nicht an“, sagt Uniqa-Chef Andreas Brandstetter. So bleibt das Reifeprüfungszeugnis für viele Personalchefs nicht mehr als ein bloßer Indikator für grundsätzliche Neigungen.

5 Es gibt keine Vergleichbarkeit: Aufgaben sind zu unterschiedlich

Die zurückhaltende Wertschätzung der Noten hat mit der kaum vergleichbaren Notenvergabe zu tun. Je nach Schulform, Schule und Lehrer ergibt sich bei gleicher Leistung eine andere Benotung. Die zentrale Reifeprüfung soll hier Abhilfe schaffen. Ein durchaus ambitioniertes Ziel. Es gilt nicht nur die Schulformen (AHS und BHS) in Einklang zu bringen, sondern auch deren Spezialisierung. Der Vorschlag von Bildungsexpertin Christa Koenne: Bei der Zentralmatura soll nur über „bestanden“ und „nicht bestanden“ zentral entschieden werden. Dadurch könnte ein Mindestlevel etabliert werden. Die positive Notenskala soll der Schule überlassen werden, um Spezialisierungen gerecht zu werden.

6 Universitäten wollen mitreden: Schultyp soll Auswirkung haben

Für die Abnehmer sind die fehlende Vergleichbarkeit sowie die unterschiedlichen Kenntnisse der Absolventen ein Problem. Wenn die Institutionen schon bei der Konzeption der Matura nicht mitmischen dürfen, dann sollten sie zumindest entscheiden dürfen, wen sie aufnehmen, meint Rudolf Mallinger, ehemaliger Vizerektor der Medizin-Uni Wien und jetzt Geschäftsführer der niederösterreichischen Forschungs- und Bildungsges.m.b.H. Vorstellbar sei für ihn, dass bereits die inhaltliche Ausrichtung des besuchten Schultyps darüber entscheidet, welche Fächer studiert werden dürfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2012)

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