Nordkorea feuert Rüstungswettlauf in Asien an

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Stalinistisches Regime schickt trotz UN-Verbots einen Satelliten in die Erdumlaufbahn. Der Abschuss dürfte die bevorstehenden Parlamentswahlen in Japan ebenso beeinflussen wie die Präsidentenwahl in Südkorea.

Pjöngjang/Seoul/Wien/Ag./La. Der Überraschungseffekt hätte größer nicht sein können: Noch zu Wochenbeginn sah es danach aus, als ob der Test der nordkoreanischen Rakete Unha-3 wieder einmal ins Wasser fallen würde. Nachrichtenagenturen hatten berichtet, die Rakete müsse aufgrund technischer Probleme in ihre Einzelteile zerlegt werden; auch das Zeitfenster für den Start wurde bis zum 29.Dezember erweitert. Doch Mittwoch kurz vor 10.00Uhr Ortszeit hob die Rakete vom nordkoreanischen Raumfahrtzentrum Sohae ab, überflog kurz danach die südjapanische Insel Okinawa und erreichte schlussendlich die Erdumlaufbahn, wie ein Nachrichtensprecher in Pjöngjang freudig verkündete. Im Zuge dieses „bahnbrechenden“ Ereignisses wurde ein Satellit in den Orbit gebracht.

Dass diese Demonstration nordkoreanischer Ingenieurskunst für einen Sturm der Entrüstung sorgen würde, lag auf der Hand. Die Resolution Nr. 1874 des UN-Sicherheitsrats untersagt Nordkorea die Nutzung ballistischer Raketentechnologie. Grund ist der nicht gänzlich unbegründete Verdacht, das nach stalinistischen Prinzipien regierte Land würde heimlich an der Entwicklung nuklear bestückter Interkontinentalraketen arbeiten, um mit deren Hilfe seine Erpressungspolitik zu intensivieren.

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Grußbotschaft von Xi Jinping

Die internationalen Reaktionen fielen erwartungsgemäß heftig aus: Die USA sprachen von einem „hochprovokativen Akt“ und kündigten „geeignete Maßnahmen“ an, auch die EU stellte neue Sanktionen gegen Pjöngjang in Aussicht. In Tokio kam der nationale Sicherheitsrat zu einer Sondersitzung zusammen, und der südkoreanische Außenminister Kim Sung-hwan sagte seine für Freitag geplante Österreich-Visite ab. Selbst in Moskau löste das ballistische Muskelspiel Nordkoreas „tiefe Besorgnis“ aus. Nur die Reaktion Chinas fiel vergleichsweise mild aus – Peking bezeichnete den Raketenstart als „bedauerlich“.

Die chinesische Zurückhaltung ist verständlich, denn die Volksrepublik ist der wichtigste Verbündete Nordkoreas. Erst vergangene Woche traf eine Delegation in Pjöngjang ein, um Machthaber Kim Jong-un eine Grußbotschaft des neuen chinesischen KP-Generalsekretärs Xi Jinping zu überreichen, wie nordkoreanische Medien vermeldeten. Doch auch in Peking ist man besorgt darüber, dass Kim den Bogen überspannen und einen regionalen Rüstungswettlauf in Gang setzen könnte.

Denn die jüngste nordkoreanische Provokation kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. In Japan finden am kommenden Sonntag Parlamentswahlen statt, und in Südkorea wird am 19.Dezember der Präsident neu gewählt. Der Raketentest könnte jenen Kandidaten in die Hände spielen, die eine härtere Politik gegenüber Nordkorea (und auch gegenüber China) befürworten: Im benachbarten Südkorea ist es Park Geun-hye, die Präsidentschaftskandidatin der konservativen Saenuri-Partei. Und in Japan dürfte Shinzo Abe von der rechtskonservativen Oppositionspartei LDP, der ohnehin als Favorit gilt, zusätzlichen Rückenwind erhalten.

Die Beziehungen zwischen Japan und China sind ohnehin angespannt, seit Peking den Streit um die von Japan verwalteten und von der Volksrepublik beanspruchten Senkaku-Inseln im Ostchinesischen Meer angefacht hat. Die Verfassung verbietet Japan den Aufbau offensiver Streitkräfte, doch der Ruf nach einer Verfassungsänderung wird immer lauter – und das nicht nur in Japan selbst. Am Wochenende forderte Albert del Rosario, der Außenminister der Philippinen, Japan auf, seine Verfassung zu revidieren und die Armee zu stärken, um ein Gegengewicht zu China zu bilden. Auch die Philippinen fühlen sich von chinesischen Gebietsansprüchen bedroht – Peking betrachtet den größten Teil des Südchinesischen Meeres als eigenes Territorium.

Raketenabwehr in Japan

China dürfte die nordkoreanische Provokation auch aus einem anderen Grund bereuen: Sie spielt nämlich den USA in die Hände, die ihre Präsenz in der Region ohnehin stärken möchten. Erst im September wurde bekannt, dass die USA den Ausbau der japanischen Raketenabwehrsysteme erwägen – Peking protestierte damals gegen die Pläne. Die Befürworter einer japanischen Raketenabwehr verfügen seit gestern über ein neues, schlagkräftiges Argument.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2012)

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