Riesenrazzia bei Deutscher Bank

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Das Institut war in einen Umsatzsteuerbetrug verwickelt. Fünf Mitarbeiter wurden verhaftet, gegen weitere 20 laufen Ermittlungen – darunter Konzernchef Fitschen.

Frankfurt/Gau. Wer vor den Frankfurter Zwillingstürmen steht, dem erscheint die Zentrale der Deutschen Bank wie eine uneinnehmbare Trutzburg des Finanzkapitals. Am Mittwochmorgen aber wurde sie gestürmt, von einem nicht minder imposanten Aufgebot der Exekutive: Zwei Reisebusse und 20 Mannschaftswagen fuhren vor, 500 Polizisten und Steuerfahnder waren bei der Razzia im Einsatz. Bei fünf Mitarbeitern klickten die Handschellen; gegen weitere zwanzig wird ermittelt. Der Verdacht lautet auf schwere Steuerhinterziehung, Geldwäsche und versuchte Strafvereitelung.

Schlimmer noch: Auch Ko-Konzernchef Jürgen Fitschen und Finanzvorstand Stefan Krause sind im Visier. Sie hatten 2009 eine Umsatzsteuererklärung unterschrieben, die mit dem Fall im Zusammenhang steht. Mittlerweile wurde sie freiwillig korrigiert – aus Sicht der Staatsanwaltschaft allerdings zu spät.

Schaden für Steuerzahler

Der Fall ist nicht neu, und eigentlich schien er abgeschlossen: Im Sommer des Vorjahres fasste eine Bande aus sechs Deutschen, Briten und Franzosen Haftstrafen von drei bis knapp acht Jahren aus. Es geht um fingierten Handel mit CO2-Emissionszertifikaten. Dabei wurde Umsatzsteuer nicht abgeliefert, aber Vorsteuer kassiert. Der Schaden für Fiskus und Steuerzahler: 230 Mio. Euro. Neben eigenen Firmen hatten die Gauner einen seriösen Zwischenhändler eingeschaltet: die Deutsche Bank.

Ein ahnungsloser Mittler? Laut Aussagen der Angeklagten im Prozess spielte Deutschlands größtes Geldhaus eine weit aktivere Rolle. Seine Mitarbeiter sorgten demnach für finanzielle Starthilfe, ohne sie wäre das Karussell also nicht in Gang gekommen.

Zudem richteten sie Konten für die Drahtzieher ein. Damals war längst bekannt, dass der Handel mit Verschmutzungsrechten zum Spielfeld von Umsatzsteuerbetrügern geworden war. Wer um Vermittlungsdienste bat, machte sich also verdächtig. Andere Banken lehnten die dubiosen Geschäfte ab. Mit der Deutschen Bank wurden die Gauner rasch handelseins. Das Risikomanagement aber schlief und schwieg.

So lauteten zumindest die Vorwürfe des Richters in der Urteilsverkündung. Doch die Bank blieb vorerst ungeschoren, offenbar war die Beweislage zu dünn. Nun glaubt die Staatsanwaltschaft mehr zu wissen: Die Banker sollen „Beweismittel vorenthalten“ haben. Ihr Arbeitgeber stellte sich erst voll hinter sie; mittlerweile sind fünf von ihnen suspendiert. Ob es sich dabei um die nun Festgenommenen handelt, ist nicht bekannt.

Ein Karussell von Scheinfirmen

Wie funktioniert ein Karussellgeschäft? In der einfachsten Form mit drei Firmen in zwei EU-Ländern und handlichen, aber wertvollen Waren. Früher waren dafür Handys und Computerchips beliebt. Als noch praktischer erwiesen sich – bis zu ihrer Umsatzsteuerbefreiung – CO2-Zertifikate, die virtuell gehandelt werden, aber als materielle Güter gelten.

Die gesetzliche Basis: Verkauft ein Unternehmen eine Ware (keine Dienstleistung) an eine Firma in einem anderen EU-Land, ist das Geschäft de facto von der Umsatzsteuer befreit. Verkauft der Erwerber die Ware dort an eine dritte Firma weiter, muss er Umsatzsteuer abliefern – allerdings erst in drei bis vier Monaten. Die dritte Firma aber holt sich die Vorsteuer schon am Monatsende zurück. Diese Zeitdifferenz machen sich Gauner zunutze. Das zweite Glied in der Kette ist bei ihnen eine Scheinfirma, die sich vor Fälligkeit der Steuer in Luft auflöst.

Die Ware kehrt inzwischen wieder an ihren Ursprungsort zurück und wird an eine neue Scheinfirma im Ausland verkauft. Weil die Steuerfahnder über die Grenzen hinweg wenig kooperieren, dreht sich das Karussell in Ruhe weiter. Die Verschleierung funktioniert besser, wenn mehr Firmen involviert sind, am besten als seriös bekannte.

Nach der martialischen Razzia steht nun die Deutsche Bank als Geldwäscher da. Als ob sie nicht schon genug Justizfälle am Hals hätte, wie die Affäre um die Manipulation des Libor-Zinssatzes oder den Prozess gegen die Erben des Medienmoguls Kirch. Im aktuellen Fall ist der drohende Schadenersatz vergleichsweise gering bemessen. Der Kratzer am Image aber könnte umso tiefer ausfallen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2012)

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