Ukraine: Der Kompromiss von Donezk

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Die neue ukrainische Regierung ist vor allem ein Ausgleich zwischen zwei Oligarchenfraktionen. Premier Mykola Azarow könnte bald von seinem erst 36-jährigen Vize Sergej Arbuzow abgelöst werden.

Wien/Kiew. Der polnische Analyst Tadeusz A. Olszański des Warschauer Thinktanks „Zentrum für östliche Studien“ (OSW) bezeichnet die zu Jahresende 2012 ernannte ukrainische Regierung als „das Ergebnis eines Kompromisses“: ein Ausgleich zwischen den beiden einflussreichsten Wirtschaftsgruppen in der Ex-Sowjetrepublik, die um politischen Einfluss ringen.

Da ist einerseits der Kreis um Rinat Achmetow, reichster Mann des Landes aus dem ostukrainischen Donezk, dessen Unterstützung Viktor Janukowitsch vor knapp drei Jahren in das Kiewer Präsidentenamt gehievt hat. Doch Janukowitsch, ebenfalls aus der Region, ist seither nicht bloß eine Marionette Achmetows geblieben, für die ihn viele gehalten haben. Er hat selbst begonnen, nach dem Donezker Prinzip seine Vertrauensleute, genannt die „Familie“, in Machtpositionen zu hieven. Die „Familie“, das sind dabei nicht nur direkte Verwandte wie sein Sohn Oleksandr, der Immobilien und eine Bank besitzt; als enger Vertrauter des Präsidenten und eigentlicher Kopf der Regierung gilt etwa der bisherige Nationalbankchef Sergej Arbuzow. Der erst 36-Jährige ist Premier Mykola Azarow als einer von vier Vizepremiers beigestellt, was Experten als faktische (aber vorerst noch nicht offiziell vollzogene) Entmachtung Azarows deuten. Zum Kreis Janukowitschs wird weiters Olena Lukasch gezählt, die zur Vorsitzenden des Ministerrats ernannt worden ist. Sie soll die „Implementierung der Präsidentenerlässe“ beaufsichtigen und damit ebenfalls dem Kabinett über die Schulter schauen.

Auch die Ressorts Finanzen, Steuern, Energie, Ökologie, Landwirtschaft und Inneres sind von der „Familie“ besetzt; Wirtschaftsentwicklung, Infrastruktur, Regionalentwicklung, Sozialpolitik, Gesundheit und Äußeres wiederum von Achmetows Vertrauten.

Für die Öffentlichkeit bestätigt diese Besetzungspolitik den ohnehin vorhandenen Eindruck, dass Politik in der Ukraine eine Sache ist, die Bosse hinter verschlossenen Türen ausschnapsen.

Nach Wahlschlappe ins Kabinett

Besonders sarkastisch kommentiert wird der Fall von Natalia Korolewskaja, frisch ernannte Sozialministerin. Noch zu ihrer Zeit als Anhängerin der prowestlichen Opposition waren in Kiew Gerüchte im Umlauf, die steinreiche Korolewskaja stehe auf der Seite der regierenden Partei der Regionen.

Die frühere Mitstreiterin der Ex-Premierministerin Julia Timoschenko erreichte mit ihrer neuen Formation „Vorwärts Ukraine“ bei den Parlamentswahlen im Oktober gerade mal 1,58 Prozent der Stimmen. Doch selbst wer vom Wahlvolk ignoriert wird, dem steht in Janukowitschs Reich ein Ministerposten offen. Laut Verfassung darf sich der Präsident seine Regierung selbst aussuchen. Vorausgesetzt freilich, er berücksichtigt dabei die Interessen der Oligarchen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2013)

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