Nobelpreise durch Schokolade? Nein, durch Milch!

Die Schweden trinken die meiste Milch, und sie holen die Ehrung am häufigsten. Über die magische Kraft des Getränks und der Statistik.

Gewinnt man einen Nobelpreis, wenn man nur lange genug Schokolade nascht? Diese Frage erregte letzten Herbst fast mehr als die Bekanntgabe der Preisträger. Denn sie kam zur gleichen Zeit in die Welt, und nicht irgendwo, sondern in der Spitzenzeitschrift New England Journal of Medicine, publiziert hatte sie der an der Columbia University in New York arbeitende Schweizer Franz Messerli.

Er ist Herzspezialist, und in seinem Fach geht die Kunde von der segensreichen Wirkung von Flavonoiden um, das sind Antioxidantien pflanzlicher Herkunft etwa in Rotwein und dunkler Schokolade, sie sollen auch das Hirn fördern. Und als Messerli sich einmal die Zeit vertreiben musste, lud er aus dem Internet zwei Datensätze herunter, den über die Nobelpreisträgerquote eines Landes und den über seinen Schokoladekonsum: An der Spitze lag die Schweiz, ganz hinten China.

Dazwischen zog sich frappant übereinstimmend die Kurve von Land zu Land. Nur Schweden war ein Ausreißer – nach oben, 32 Preise statt der von Schokoladeverzehr und Bevölkerungsgröße erwartbaren 14 –, aber in Schweden sitze ja das Nobelpreiskomitee, erwog Messerli, oder die Schweden „reagieren besonders sensibel auf Schokolade, und schon winzige Spuren erhöhen ihre Denkfähigkeit stark“.

Trotz der bestechenden Datenlage – so eine Statistik hat kaum ein wissenschaftlicher Befund hinter sich – schüttelten manche den Kopf, es werde eher am Geld liegen und am Schulsystem. Aber einer nickte: „Meinen Nobelpreis (Physik 2001) schreibe ich meinem Schokoladekonsum zu“, erklärte Eric Cornell, „allerdings glaube ich, dass Milchschokolade dumm macht, damit bringt man es vielleicht zum Medizin- oder Chemiepreis. Für den für Physik braucht es schon dunkle Schokolade.“ – Ist das auch wahr? Das Rätsel Schweden ließ viele nicht ruhen. Und Sarah Linthwait (Gloucester) hat nun besseren Rat: Milch! Die Schweden: 340 Liter im Jahr! Kein Wunder, dass sie die (relativ) meisten Nobelpreise einfahren! Dicht dahinter folgt die Schweiz, am Ende rangiert wieder das Land, in dem man Milch schlecht verträgt, China.

Auch Milch enthält etwas für das Gehirn – Vitamin D –, und auch Linthwaits Artikel wurde von einem renommierten Journal angenommen, Practical Neurology. Dabei müssen Autoren offenlegen, ob ihre Befunde vielleicht mit Interessen zu tun haben. Messerli deklarierte sich als Schokoladeliehaber, Linthwait isst Müsli, baut aber auch vor: „Chocolate taken any time.“

Warum wird so etwas publiziert? Wohl als Wink – zart wie Schokolade, mild wie Milch –, dass selbst stärkste Statistiken etwas vorgaukeln können.

Mails: juergen.langenbach@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2013)

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