Finanzsteuer: Zeitplan wackelt

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Die Finanzminister einigten sich am Dienstag in Brüssel auf einen Beschluss, der die Kommission zur Ausarbeitung eines neuen konkreten Vorschlags veranlasst – diesmal nur für elf willige Staaten.

Brüssel. Große Euphorie wollte sich nach dem Finanzministerrat in Brüssel am Dienstag nicht einstellen. Denn in Sachen Finanztransaktionssteuer heißt es jetzt: zurück zum Start. Zwar hatten die Minister in einer Abstimmung grundsätzlich grünes Licht für die Maßnahme zur Beteiligung des Finanzsektors an der Schuldenkrise gegeben. Dies aber lediglich im Sinne eines „Ermächtigungsbeschlusses“, der die Kommission zur Ausarbeitung eines konkreten Vorschlags für eine verstärkte Zusammenarbeit von derzeit elf Staaten veranlasst.

Für die Zustimmung war eine qualifizierte Mehrheit nötig. Bekannte Gegner wie allen voran Großbritannien, aber auch Luxemburg, Malta und Tschechien enthielten sich der Stimme. Schweden, Dänemark, Polen, Bulgarien und Ungarn stimmten zu, zeigten sich aber kritisch: Sie wollen genau darauf achten, dass nicht beteiligte Länder keine Benachteiligung erleben. Wann die Steuer in den teilnehmenden Staaten Deutschland, Frankreich, Österreich, Italien, Spanien, Portugal, Belgien, Estland, Griechenland, Slowakei und Slowenien in Kraft treten kann, ist aber ohnehin unsicher. Zwar rechnet Bundeskanzler Werner Faymann fix mit kommendem Jänner als Starttermin – Österreich hat die Einnahmen aus der Steuer für den Haushalt 2014 budgetiert, jährlich soll sie 500 Millionen Euro in die Kasse spülen –, ob sich dieser ambitionierte Zeitplan tatsächlich einhalten lässt, ist aber fraglich. Noch gibt es viele offene Punkte, wie auch Finanzministerin Maria Fekter gegenüber Journalisten in Brüssel bekräftigte. Denn schon einmal hatte die Kommission einen Vorschlag für die Steuer unterbreitet; damals unter der Annahme, dass ein Inkrafttreten in allen 27 Mitgliedstaaten gelingt. Doch bei Weitem nicht alle grundsätzlichen Befürworter hatten diesem Papier auch kritiklos zugestimmt. Inhaltlich muss der neue Entwurf der Kommission – er soll bis zum Sommer vorliegen – also noch einmal gründlich überarbeitet werden.

Höhe der Einnahmen noch ungewiss

Ungewiss ist auch, wie hoch die Einnahmen aus der Steuer jährlich ausfallen werden. Experten gehen von etwa 35 Milliarden Euro aus – abhängig davon, wie viele Staaten sich der verstärkten Zusammenarbeit am Ende tatsächlich anschließen wollen. 57 Milliarden Euro hatte die Kommission für den Fall errechnet, dass sich alle EU-Länder an der Maßnahme beteiligen.

Auch die Frage, ob die Gelder in die nationalen Kassen der Mitgliedstaaten oder den Topf der Kommission fließen sollen, ist noch nicht endgültig geklärt. Einige Staaten – wie eben Österreich – haben die Einnahmen aus der Steuer ja schon in ihren jeweiligen Budgets eingeplant.

An den geplanten Besteuerungssätzen von 0,1 Prozent auf den Handel mit Aktien und Anleihen sowie 0,01 Prozent auf den Handel mit spekulativen Finanzprodukten und Derivaten wird sich voraussichtlich nichts ändern. Fraglich ist allerdings, was als Ursprung der besteuerten Spekulation gelten wird. Probleme könnte es etwa bei Finanzgeschäften zwischen Banken desselben Konzerns mit Sitz innerhalb und außerhalb der Zone der elf Teilnehmerländer geben. Experten warnen davor, dass der jeweilige Ursprung einer Spekulation nicht immer eindeutig feststellbar sein wird. Damit auch große Finanzplätze wie die Londoner City von der Steuer betroffen sind, soll nicht der Ort der Transaktion, sondern der Standort der involvierten Parteien für die Besteuerung ausschlaggebend sein. Das bedeutet: Wenn entweder der Käufer oder der Verkäufer seinen Sitz in einem der elf Teilnehmerländer hat, fällt die Steuer dort an.

Trotz der vielen Fragezeichen bezeichnete Fekter den Beschluss für die verstärkte Zusammenarbeit bei der Finanztransaktionssteuer als „Paradigmenwechsel“ in der Europäischen Union.

Auf einen Blick

Die EU-Finanzminister gaben bei ihrem Treffen am gestrigen Dienstag grundsätzlich grünes Licht für eine verstärkte Zusammenarbeit von elf Mitgliedstaaten bei der Finanztransaktionssteuer. Nun muss die Kommission einen neuen Vorschlag ausarbeiten. Ungewiss sind die Definition des Ursprungs einer Spekulation, die Höhe der jährlichen Einnahmen und die Verwendung der Gelder.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2013)

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