Massenvergewaltigungen von Frauen mitten in Kairo

Sexuelle Gewalt. Besonders viele Übergriffe passieren an Feiertagen nahe dem Tahrir-Platz. Opfer melden sich selten.

Kairo. Blitzartig umringen die Täter ihr Opfer, sofort machen sich Horden junger Männer auf offener Straße über die gefangene Frau her. Vergangenen Freitag, am zweiten Jahrestag der Revolution, wurde eine 19-Jährige vom Tahrir-Platz in eine Seitenstraße gezerrt, entkleidet und mit einem Messer vergewaltigt. Völlig verstört und mit schweren Schnittwunden an ihren Genitalien liegt sie nun im Krankenhaus.

Organisierte Vergewaltigungen im Zentrum von Kairo werden immer schlimmer und immer häufiger. 25 missbrauchte Frauen zählten die Selbsthilfeorganisationen Operation Anti-Sexual Harassment (OpAntiSH) und Tahrir Bodyguard allein am vergangenen Freitag. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen, weil viele Betroffene sich schämen, ihre Tortur anzuzeigen. „Einige der Opfer wurden begrapscht, andere von dem Mob mit Fingern vergewaltigt. Die Frauen haben Bisswunden am ganzen Körper, alle ihre Sachen wurden gestohlen“, erklärte OpAntiSH-Sprecherin Leila Zahra. „Es war einer der schlimmsten Tage, die wir bisher erlebt haben.“

Ein Reporter der Zeitung „Egypt Independent“, der vergangenen Freitag gegen 18 Uhr in der Nähe des Fast-Food-Lokals Hardee's stand, war Augenzeuge eines Angriffs auf eine etwa 40-jährige Ägypterin. Hier an der Kreuzung der Qasr-Al-Ainy und Mohammed-Mahmoud-Straße treiben sich die meisten der Dauerkrawallmacher herum, von hier geht ein Netz von schmalen, dunklen Seitengassen ab. Hunderte Männer umdrängten die Frau, die voller Panik um Hilfe schrie. Kurz danach lag sie auf dem Pflaster und war völlig nackt, ihr Gesicht starr vor Angst und Entsetzen. Am Ende gelang es zwei, drei kräftigen Männern, die mit gezückten Ledergürteln auf die Angreifer eindroschen, das Opfer in einen Krankenwagen zu retten.

Sexuelle Belästigung ist in Ägypten extrem verbreitet, egal, ob die Frauen verschleiert oder unverschleiert sind. Die Gewalt in den Familien ist hoch. Und besonders an Feiertagen, wenn die meisten jungen Männer in den Straßen herumhängen, häufen sich die Übergriffe. Viele junge Mädchen trauen sich an Festtagen nicht mehr auf die Straße, zu hoch ist ihnen das Risiko. Die Polizei aber schaut weg, ausgeforscht wird fast nie jemand.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2013)

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