Ernst Hilger: Rückzug aus der "Flagship-City"

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Ernst Hilger schließt seine Contemporary-Galerie in der City, die sich "in der Struktur verändert" habe. Dafür baut er in der Ankerbrotfabrik aus, wo sich Hilger als einer der ersten eine Außenstelle eingerichtet hat.

Eigentlich, sagt Ernst Hilger, glaube er ja, „dass man als Galerie ein bisschen mehr präsent sein muss“. Weshalb er, zum Beispiel, am Freitag beim Kaffeesiederball wieder die Damenspende stellt. Oder auch vor gut zehn Jahren die Straßenfront unter seiner Galerie in der Wiener Dorotheergasse dazugemietet hat. „Hilger Contemporary“ war das Label für die Idee, auf Gassenebene „das zu zeigen, was die Leute noch nicht kennen“.

Eine Idee, die, grob gesagt, gescheitert ist – zumindest in der Wiener Innenstadt. Aus einem ganzen Bündel an Gründen. Ernst Hilger, 62, Besitzer der bekannten Innenstadtgalerie, sitzt im Café de l'Europe im ersten Stock am Graben am Fenster. Das Café liege so schön auf direktem Weg von daheim in seine Galerie, er beginne den Montag gern hier mit ein paar Zeitungen.

„Ich hatte gedacht“, erklärt er, „die Straßenfront würde ein wesentlich anderes Publikum bringen.“ Was nicht der Fall war, stattdessen veränderte sich in den vergangenen fünf Jahren die Stadt. „Es ist eine Flagship-City geworden, eine sehr starke Schwerpunktstadt.“ Für Mode, Antiquitäten oder, wie bei ihm in der Dorotheergasse, für kleine Restaurants. Eher nicht für Kunst. „Und reichen Russen nach der Rolex noch einen Warhol zu verkaufen, finde ich als vordergründiges Programm heute uninteressant.“

Zu den Problemen kämen hohe Mieten, eine „nicht sehr entgegenkommende Hausverwaltung“, die schwierige Anlieferung der mitunter sperrigen Kunstwerke (gut 9000 Euro an Strafzetteln kassiert seine Spedition pro Jahr), anhaltende Baustellen und ein wenig attraktives Spielcafé gegenüber („auch wenn die sehr nett sind“). Das gemeinsame ArtLab mit Siemens fiel zudem der Krise zum Opfer.

Der Hauptgrund allerdings sei, sagt Hilger, „dass sich die Innenstadt in ihrer ganzen Struktur geändert hat. Wenn wir Einladungen machen, sind wir voll. Aber den Samstagsfamilienspaziergang durch die Innenstadt gibt es nicht mehr. Die Älteren fahren in ihre Häuser ins Grüne, und die Jüngeren sind in ganz anderen Grätzeln.“


Zum Beispiel in der Ankerbrotfabrik in Favoriten, wo sich Hilger als einer der ersten eine Außenstelle eingerichtet hat. Und die die „Jüngeren“, „also alle unter 50“, gern frequentieren – und gern auch länger, während die Laufkundschaft in der Contemporary-Galerie „vielleicht zwei, drei Minuten bleibt. Dabei ist in einer Galerie ja gerade der Dialog wichtig.“ Als sich also die Chance bot, in der Ankerbrotfabrik 400 Quadratmeter dazuzunehmen, löste er private Reserven auf und schlug zu, aus Contemporary wird „Hilger Next“, man öffne sich neuen Gegenden und Techniken für weniger Geld auf viel mehr Raum.

Händler zu sein, sagt Hilger, sei zwar toll, „aber Geburtshelfer noch viel lustiger. Der Lustfaktor ist ein starker Antrieb und hält mich jung.“ Zumal er „keine Familie in dem Sinn“ habe, er stecke „alles in die Kunst“. Nach zeitweiligen Filialen in Paris und Frankfurt (an jeder ging eine Beziehung in die Brüche) sei das nun das nächste große Experiment. Angst um den Offspace-Charakter der Ankerbrotfabrik hat er keine. „Ich glaube, dass alle Galerien die nächste Generation an einem wirklich stimmigen Ort zeigen müssen.“

Und natürlich, der Kern der Galerie im ersten Stock der Dorotheergasse bleibe, ebenso wie er „die beste Quelle für klassische Moderne. Aber ich mache damit keine Ausstellungen mehr. Herr Picasso braucht mich nicht.“

Aktuell läuft in der Galerie Hilger in der Dorotheergasse 5 noch bis 24. Februar die Ausstellung Hans Staudacher: 90 Jahre gegen den Strom; ab 28. Februar Georg Eisler: Malerei, Pastelle und Zeichnungen.

Auf einen Blick

Ernst Hilger (62) hat Welthandel studiert und ist einer der bekanntesten Wiener Galeristen. 1980 eröffnete er seine aktuelle Galerie in der Dorotheergasse 5. Vor zehn Jahren kam mit Hilger Contemporary die Straßenfront dazu, die er nun schließt. Dafür erweitert er wie bereits angedacht seine gut besuchte BrotKunsthalle am 22. März um „Hilger Next“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2013)

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