Digitales Teilen für eine nachhaltige Gemeinschaft

Karin Lohberg
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Kostenlos zur Verfügung gestellte Satellitenbilder als frei verfügbare digitale Wissensgüter – digitale Nachhaltigkeit im Kampf gegen den Klimawandel. Digital Earth Africa gilt dabei als Musterinitiative.

Sansibar liegt in Ostafrika und ist ein halbautonomer Teilstaat des Unionsstaates Tansania. Rund 1,7 Millionen Einwohner bevölkern die Insel, deren Wirtschaft hauptsächlich auf Tourismus und Landwirtschaft basiert. Die Mehrheit der Menschen lebt hier in Armut, das durchschnittliche Jahreseinkommen beträgt 250 US-Dollar, die Lebenserwartung bei der Geburt liegt laut UN bei 54 Jahren. Bekannt ist Sansibar aber auch für idyllische Strände und sein üppiges Ökosystem in Form von Mangrovenwäldern. Die Bäume und Sträucher mit ihren tiefliegenden, salztoleranten Wurzeln gedeihen an den Küsten und dienen als natürliche Barrieren gegen Stürme und den ansteigenden Meeresspiegel. Die Mangroven tragen auch zum Schutz unseres Planeten bei. Dank ihrer Fähigkeit, drei bis vier Mal mehr Kohlenstoff aus der Erdatmosphäre zu binden als tropische Wälder, sind sie ein effektives Element im natürlichen Kampf gegen den Klimawandel.

Digital Earth Africa

Der Klimawandel stellt zugleich die größte Bedrohung für die Mangrovenwälder dar. Anlass genug für die tansanische Regierung, sich vor einigen Jahren an Digital Earth Africa zu wenden, eine Organisation, die in erster Linie digitale Echtzeitdaten von Satellitenaufnahmen zur Verfügung stellt. Für Naturschützer bedeuten mehr Informationen bessere Entscheidungen. Unterstützung kommt dabei von der Amazon Sustainability Data Initiative (ASDI), die über Amazon Web Services (AWS) kostenfrei Daten speichert. AWS bietet zudem Lehrbeauftragten der Staatlichen Universität von Sansibar (SUZA) kostenlosen Zugang zu allen Daten und Analysetools von Digital Earth Africa. „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, das Leben der Menschen auf dem afrikanischen Kontinent zu verbessern, indem wir Erdbeobachtungen in Erkenntnisse umsetzen, die eine nachhaltige Entwicklung unterstützen. Unsere Plattform und unsere Dienste ermöglichen es afrikanischen Regierungen, Unternehmen und Entscheidungsträgern, Veränderungen in noch nie dagewesener Detailgenauigkeit zu verfolgen“, sagt Thembi Xaba, geschäftsführende Direktorin von Digital Earth Africa. Die Einrichtung wurde anfänglich von dem in den USA ansässigen Leona M. & Harry B. Helmsley Charitable Trust und der australischen Regierung finanziert und bietet frei verfügbare, analysierbare Daten, die den gesamten afrikanischen Kontinent abdecken – die Heimat eines von sechs Menschen auf der Erde.

Die Kraft der Zusammenarbeit

Genutzt werden die australische Innovation des Open Data Cube (ODC) und die Erfahrungen der Plattform Digital Earth Australia von Geoscience Australia, um die Entwicklung von Cloud-optimierten Datenformaten zu beschleunigen. Nach der erfolgreichen Übergabe der Leitung von Geoscience Australia wird Digital Earth Africa nun von einem Programmmanagementbüro mit Sitz in Pretoria, Südafrika, verwaltet. Laut Thembi Xaba spiegelt der Übergang die Kraft einer Kontinente überspannenden Kooperation wider: „Die Arbeit, die das Team und unser Partnernetzwerk in Afrika und der ganzen Welt bisher geleistet haben, ist ein Beweis für die Kraft der Zusammenarbeit, der Innovation und der Technologie im Hinblick auf nachhaltige Entwicklungsergebnisse.“ Auch für Lisa Hall von Geoscience Australia ist der Übergang von Digital Earth Africa in afrikanisches Eigentum und unter afrikanische Leitung ein Meilenstein: „Dies war von Anfang an die Vision und Aufgabe der Organisation – offene, kostenlose Daten in die Hände der Nutzer auf dem Kontinent zu geben.“

Laut Xaba hat Digital Earth Africa bereits einen spürbaren Einfluss auf eine nachhaltigere Zukunft genommen. Als Erfolgsbeispiel dient eben das Projekt „Wie Daten und Gemeinschaft Sansibars Mangroven retten können“, das zuletzt einen Sustainable Development Goal (SDG) Award for Climate Action gewinnen konnte. Das Urteil der Jury: „Die Dozenten der staatlichen Universität von Sansibar wurden durch die DE-Africa-Plattform in die Lage versetzt, ein Bewusstsein für die Auswirkungen des Klimawandels in Sansibar zu schaffen, Trends bei den Mangroven aufzuzeigen, die Jugend in die Validierung einzubeziehen und zum Handeln für den Naturschutz aufzurufen.“

Nachhaltige Wissensgüter

Digital Earth Africa gilt als Musterinitiative, wenn es darum geht, Nachhaltigkeit mit digital getriebenen Maßnahmen zu erreichen, bei denen auf einen offenen, kostenlosen Zugang zu Daten gesetzt wird. „Der freie Zugang zu und die langfristige Weiterentwicklung von Digitaltechnologien wie Daten, Software oder Modellen der künstlichen Intelligenz sind heute elementare Grundlagen für die nachhaltige Entwicklung“, sagt dazu Matthias Stürmer, Leiter des Instituts für Public Sector Transformation an der Berner Fachhochschule, BFH. Stürmer spricht vom Konzept der digitalen Nachhaltigkeit, das die freie Verfügbarkeit von Wissen aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung nicht mehr nur als Mittel zum Zweck, sondern als eigenständige, schützenswerte Ressource versteht.

Die notwendigen Voraussetzungen

Welche Voraussetzungen notwendig sind, um digitale Wissensgüter als „nachhaltig“ zu qualifizieren, wurde bereits vor einigen Jahren im Nachhaltigkeitsjournal „Sustainability Science“ systematisch dargestellt. So müssen digital nachhaltige Güter einerseits qualitativ ausgereift, sicher, verständlich, fehlerfrei und datenschutzkonform verfügbar sein. Andererseits ist die Transparenz der technologischen Grundlagen wie Quellcode, Spezifikation oder Rohdaten eine Voraussetzung. Bei Daten ist des Weiteren eine semantische Verknüpfung erforderlich, damit das digitale Wissen maschinell weiterverarbeitet werden kann. Daten und Systeme müssen dezentral redundant gespeichert sein beziehungsweise betrieben werden, damit keine Daten verloren gehen und die Plattformen ununterbrochen funktionieren können. „Eine weitere Voraussetzung für digital nachhaltige Güter ist die rechtliche Grundlage, eine ,offene Lizenz‘, damit trotz Urheberrechtsschutz die Applikationen und Daten uneingeschränkt genutzt, verbreitet und weiterentwickelt werden dürfen. Und neben dem expliziten Wissen muss auch das implizite Wissen auf möglichst viele Menschen aus unterschiedlichen Organisationen verteilt sein, um Wissensabhängigkeit zu vermeiden“, betont Stürmer. Verbesserungen müssen fortlaufend von allen fähigen Personen beigetragen werden können. Die Führung (Stichwort Governance) soll auf eine faire, transparente und effiziente Weise ausgestaltet sein, sodass es zu keinen Aufspaltungen der Community kommt. Die Finanzierung muss auf unterschiedliche Quellen verteilt sein, damit keine ökonomischen Abhängigkeiten entstehen.

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