Wort der Woche

Feinstaub

Die Belastung mit Feinstaub hat sich in den vergangenen 200 Jahren stark verändert. Obwohl die Luft in Europa zuletzt sauberer geworden ist, ist keine Entwarnung angesagt.

Feinstaub zählt zu den größten Umweltproblemen unserer Zeit – jährlich sind Schätzungen zufolge sechs bis neun Millionen vorzeitige Todesfälle auf die feinen, in der Luft schwebenden und mit freiem Auge nicht sichtbaren Partikel zurückzuführen. Allerdings: Feinstaub ist nicht Feinstaub. Der Begriff umfasst alle möglichen Partikel, die kleiner als zehn Mikrometer sind (PM 10 ). Deren chemische Zusammensetzung kann aber sehr unterschiedlich sein – etwa Ruß, Asche, Schwermetalle oder feste Teilchen, die sich aus gasförmigen Ausgangssubstanzen (z. B. Stickoxiden) bilden.

Aufgrund des Wandels unserer Wirtschafts- und Lebensweise ist anzunehmen, dass sich Herkunft und Art der Partikel mit der Zeit verändert haben. Dies konnten nun britische Forschende um Ann L. Power (University of Exeter) beweisen: Sie haben die Sedimente einiger Teiche bei der Industriestadt Liverpool, in denen sich der Schmutz vergangener Zeiten Schicht um Schicht abgelagert hatte, genauer untersucht und konnten mit aufwendigen Analysen die Entwicklung der vergangenen 200 Jahre nachverfolgen (Scientific Reports, 2. 6.).

Vier Phasen konnten dabei klar abgegrenzt werden: Vor 1850 waren die Feinstaub-Emissionen noch relativ gering; Eisenbahn, Schiffbau und eine frühe chemische Industrie machten sich aber bereits bemerkbar. Ab 1850 kam es zu massiven Blei- und Schwefel-Emissionen sowie heftigem Kohlenrauch aus der Sodaindustrie (die damals den sehr schmutzigen Leblanc-Prozess einsetzte).

In der dritten Phase (1900–1970) wuchsen die Feinstaubmengen weiter, ihre Zusammensetzung verändert sich aufgrund von neuen Industrien, Prozessumstellungen und der wachsenden Stadt mit ihrem steigenden Energiebedarf deutlich (z. B. höhere Zink- und Rußemissionen). Seit 1970 schließlich kam es infolge strengerer Umweltgesetze zu einem starken Rückgang gröberer Schwermetall- und Rußemissionen, dafür wuchsen feinere Staubfraktionen (PM 2,5 ) deutlich an, die auf Hochtemperatur-Verbrennungsprozesse, wie etwa in Automotoren und Flugzeugturbinen, zurückzuführen sind.

Das Fazit der Forschenden: Obwohl die Luft zuletzt deutlich sauberer geworden ist, kann keine Entwarnung gegeben werden – denn niemals zuvor waren die Menschen so großen Mengen an feinstem Staub ausgesetzt wie derzeit. Und je kleiner die Partikel sind, umso tiefer können sie in die Lunge und in den Körper eindringen.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

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