Konflikt mit Wagner-Gruppe

Historiker Etkind: Prigo­schin-Aufstand könnte Ende Russlands einleiten

Wagner-Söldner patrouillieren im südrussischen Rostow am Don.
Wagner-Söldner patrouillieren im südrussischen Rostow am Don. APA / AFP / Stringer
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Alexander Etkind, Professor an der CEU in Wien, sieht kein schnelles Ende des Konflikts. Er meint, der Einmarsch Prigoschins in Russland bedeutet einen Bürgerkrieg.

„Das bedeutet Bürgerkrieg in Russland und - so denke ich - eine schrittweise Beendigung des Kriegs mit der Ukraine“, kommentiert der aus St. Petersburg stammende Historiker Alexander Etkind den Aufstand des Söldnerführers Jewgeni Prigoschin. Der Professor an der Zentraleuropäischen Universität (CEU) in Wien rechnet zudem damit, dass die aktuellen Ereignisse das Ende Russlands in seiner aktuellen Form einleiten könnten.

„Ich nenne das “Deföderalisierung‘: Das ist der Zerfall der Russischen Föderation, die Befreiung seiner konstituierenden Teile von einer Moskauer Herrschaft sowie die Entstehung einer neuen rechtlichen und politischen Struktur im nördlichen Eurasien“, kommentierte Etkind. Der prominente Historiker hat sich in der Vergangenheit intensiv mit der russischen Kolonialgeschichte beschäftigt und erst vor wenigen Wochen die Monografie “Russia Against Modernity„ über den Kampf des Putin‘schen Regimes gegen das Zeitgenössische vorgelegt.

Zwei Möglichkeiten: Angriff auf Moskau oder Machtbasis im Süden

Prigoschin habe seines Erachtens nun zwei Möglichkeiten - entweder einen sehr riskanten Angriff auf Moskau oder eine weniger riskante Variante, in einigen Regionen im Süden Russlands seine Macht zu konservieren, erläuterte Etkind. Letzteres würde Prozesse am Kaukasus starten, zur Abspaltung Tschetscheniens führen und einen Dominoeffekt auslösen.

An ein schnelle Beendigung der Auseinandersetzung glaubte Etkind indes nicht: „Diese Variante existierte bis zum Auftritt von (Präsident Wladimir, Anm.) Putin, der alle Karten in der Hand hatte und der (Verteidigungsminister Sergej, Anm,) Schojgu zum Sündenbock hätte machen können und eine Einigung finden“, erklärte der Historiker,

Prigoschins Frustration und Unzufriedenheit sei im Laufe des letzten Jahres sukzessive gewachsen und seine sorgfältig kalibrierten Erklärungen hätten sich durch zunehmende Intensität ausgezeichnet, kommentierte Etkind. Die bis Freitag dominierende Interpretation von Prigoschins Aktivitäten als vorrangig Propaganda illustriere ein weiteres Mal, dass sich alle praktisch bei der Bewertung von russischen Ereignissen geirrt hätten. „Aber heute ist offensichtlich, dass das kein Spiel ist“, sagte er. (APA)

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