Serie: Gefühlssache

Fünf Fragen an... eine ehemalige Escort

Begonnen hat Emma aus freien Stücken. Rückblickend ordnet sie die eigene Entscheidung aber anders ein. Ein Gespräch über Selbstermächtigung, Stigmata und die eigenen Grenzen.

Vor einem Jahr hat Emma aufgehört als Escort zu arbeiten, damals war sie 22. Mit 19 Jahren hat sie mit der Sexarbeit begonnen. Emma ist ihr Escort-Name, eigentlich heißt sie anders. Dates, sagt sie, laufen immer irgendwie gleich ab. Vorab wird ein Treffpunkt vereinbart und ein Ort, an den es später noch gehen soll. Mal ist es ein Restaurant und ein Hotelzimmer, mal direkt die Hotelbar. Ab und zu fährt man zu den Kunden nach Hause. Wen man trifft, obliegt einem selbst („Das ist das Coole an Escort“), grenzenlos war die Selbstbestimmung für Emma in Retrospektive aber nicht. Wegen der Stigmatisierung von Sexarbeit hatte sich Emma nicht als Escort registriert. („Ich wollte nicht, dass das irgendwo aufscheint und man mein Leben lang auf mich herabsieht deshalb.“) Um sich zu schützen, wurden Freunde immer eingeweiht, sie sprachen über die Sexarbeit an sich, aber auch über bevorstehende Dates. So konnte Emma, wenn nötig, abgeholt werden und „erst gar nicht so tief reinfallen“.

Warum hast du angefangen als Escort zu arbeiten?

Emma: Es hat viel mit reingespielt. Ich war 19, war super neugierig und hab damals die Serie „Secret Diary of a Call Girl“ geschaut. Ich dachte mir, das sieht nach so viel Spaß aus. Und mir hat es an Bestätigung und Geld gefehlt, ich wollte unabhängig sein von meinem Vater und so viele Möglichkeiten hat man da mit 19 nicht. Ich habe neben dem Studium in einer Bar gearbeitet, das Geld war aber nicht genug, also habe ich mich umgeschaut. Angefangen habe ich als Camgirl, hatte aber so viel Angst, dass das Material im Internet bleibt und ich nie weiß, was damit passiert. Als ich dann eine andere Escort kennengelernt habe, habe ich sie einmal begleitet, hatte mit ihr einen sehr schicken Abend in einem Fünf-Sterne-Hotel mit Whirlpool auf der Dachterrasse - die Männer waren da eher die Nebensache. Dann habe ich tatsächlich damit angefangen und wenn du einmal drin bist, hörst du auch so schnell nicht mehr auf.

Hat Escort für dich etwas mit Empowerment zu tun?

Ich denke schon, dass es für andere ermächtigend sein kann, für mich war es das rückblickend nicht. In manchen Momenten kam es mir vielleicht so vor. Ich dachte, der will ja mich und ich bin hier, weil ich mich dafür entschieden habe, ich suche mir das aus, und im Vergleich zu anderen Frauen konnte ich es mir in meiner privilegierten Position als weiße und gebildete Frau ja wirklich aussuchen. Aber wie man dann behandelt wird, ist nicht unbedingt „empowering“, genauso wenig, wie das Gefühl danach. Es war zwar schon ermächtigend zu sagen, ich entscheide, was ich mit meinem Körper mache, aber im Endeffekt hat dann doch oft der Kunde darüber entschieden, was wir mit meinem Körper machen.

Was würdest du angehenden Escorts raten?

Niemand wacht morgens auf und denkt sich: ,Was fange ich mit meinem Leben an? Ich glaub ich gehe in die Prostitution oder ins Escort.‘ Ich glaube, da stehen viele Dinge dahinter. Bei mir war es eben auch ein Mangel an Bestätigung und der Wille, unabhängig zu sein. Es gab also etwas, was mir gefehlt hat, was ich dann versucht habe, damit zu füllen. Anderen, vor allem jungen Frauen, würde ich deshalb gerne sagen: Das Defizit wird nicht kleiner, das wird dadurch eher größer. Letzten Endes hast du dann vielleicht sogar mehr Schwierigkeiten, das Loch irgendwann einmal zu füllen. Und: Warte bis du älter bist! Die Altersgrenze mit 18 ist wirklich, wirklich niedrig. Wenn du älter bist, kannst du deine Grenzen besser abstecken. Ich habe immer relativ viel mitgemacht, das ich eigentlich nicht machen wollte. Ich habe dann gedacht, eigentlich geht das über meine Grenzen, aber jetzt bin ich schon hier, rechne schon mit dem Geld, hab mir schon ausgemalt, was ich damit machen kann. Also besser durchziehen und die Kohle bekommen, als es nicht zu machen.

Wie steht es deiner Erfahrung nach um Stigmata rund um Sexarbeit? Wird man diskriminiert?

Absolut. Viele sagen zwar, ich finde so cool, dass du das machst, aber im Endeffekt wollen sie im Gespräch dann ihre Neugier stillen. Die Frage, die mir am häufigsten gestellt wurde, war vermutlich, ,Was war das Schlimmste, das dir passiert ist?‘ Oft fühlt es sich so an, als wäre ich etwas, was man zur Schau stellt. Etwas das zwar interessant ist, aber das man nicht sein möchte. Einmal hat mich ein Kumpel von einem Date abgeholt. Ich habe ihm erzählt, dass das gerade echt scheiße war, der Typ sich wirklich daneben benommen hat. Er meinte, ich solle halt einfach auf damit aufhören, es sei ja voll dumm von dir, mich dem auszusetzen. Du hast also auch hier nochmal die Diskriminierung von wegen: Wenn du so dämlich bist und das machst, selbst schuld, wenn dir was passiert. Ich würde mir wünschen, dass man die Kunden genauer ins Visier nimmt. Wenn Männer einmal zu einer Prostituierten gegangen sind, ist das irgendwie gar kein Thema. Aber wenn ich erzähle, ich war einmal Prostituierte oder Escort, dann ist die Reaktion eine andere. Die Wahrnehmung muss sich ändern. Weil ich war nicht eklig, ich war nicht das Problem. Ich habe mich nicht daneben benommen. Ich bin auf nicht über die Grenzen von Männern gegangen, das war die andere Seite.

Wieso hast du schlussendlich aufgehört?

Ich war nie als Escort registriert, ich wollte den ,Nuttenschein‘ nicht, weil ich nicht wollte, dass die Tätigkeit irgendwo aufscheint, eben wegen der ganzen Stigmata. Auf gar keinen Fall wollte ich mein ganzen Leben lang die diskriminierte Person sein, eine Person, auf die man eher herunterschaut. Vor einem Jahr bin ich dann nach Amsterdam gezogen, dort ist alles so streng reguliert, dass ich mich nicht mehr getraut hatte, den Service unterm Radar anzubieten. Außerdem war das für mich auch eine Art Neuanfang, meine Altlasten habe ich zurückgelassen. Und damit meine ich nicht den Beruf an sich, sondern, wie es mir damit ging.

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