Unterwegs

Fischsterben in biblischen Ausmaßen

Wer aus dem Fischsterben in biblischen Ausmaßen nichts lernt, ist verdammt, es zu wiederholen.

Wenn Journalisten eine Reise machen, die sie vor ziemlich genau einem Jahr schon einmal gemacht haben, ist meistens etwas Schlimmes passiert. Das Genre „Ein Jahr danach“ beschäftigt sich mit dem Einzigartigen – und das ist in vielen Fällen einzigartig traurig.

So war es auch, als ich mich kürzlich in Zug und Bus setzte, um von Berlin an die polnische Grenze in das ehemalige Fischerdorf Criewen zu fahren. Dort trieben im vergangenen Sommer Tonnen von totem Fisch die Oder hinab. Die Menschen, die an diesem europäischen Naturjuwel leben, standen tagelang hüfttief in stinkendem Wasser, durch das in der Sommerhitze zerfließende Kadaver trieben.

Ein Jahr später ist klar, was diese biblische Katastrophe ausgelöst hatte: Eine Mischung aus anhaltender Hitze, zu wenig Wasser und auf polnischem Gebiet in den Fluss geleitetem Natriumchlorid (also schlicht Kochsalz) hatte zur Blüte einer Brackwasseralge geführt, die mit ihrem Gift knapp tausend Tonnen Fisch tötete. Tausend Tonnen. Die Zahl wird dem Massaker nicht gerecht, das sich abspielte. Man muss es gesehen und auch gerochen haben.

Also, ein Jahr danach: Haben die Menschen daraus gelernt? Wird sich der Fluss erholen? Haben sie den einzigen Faktor im Auge, den sie beeinflussen können: die Zuleitung von Salzen aus dem polnischen Bergbau?

Sieht nicht so aus. Im Gegenteil, die Schifffahrt an der Oder soll ausgebaut werden. So würden die Fische weiter geschwächt, die nächste Katastrophe an der Oder wahrscheinlicher. Die Criewener haben bereits Gummihandschuhe und Container für die Fischleichen bestellt.

christoph.zotter@diepresse.com

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