Filmkritik

Mission Impossible 7: Tom Cruise wird endlich alt

Tom Cruise macht als Superagent Ethan Hunt selbst im kleinen gelben Fiat gute Figur. An seiner Seite: Hayley Atwell. Im neuen „Mission: Impossible“-Film, demnächst im Kino, fährt Cruise auch mit dem Zug in Richtung Innsbruck –gedreht wurde das aber anderswo.
Tom Cruise macht als Superagent Ethan Hunt selbst im kleinen gelben Fiat gute Figur. An seiner Seite: Hayley Atwell. Im neuen „Mission: Impossible“-Film, demnächst im Kino, fährt Cruise auch mit dem Zug in Richtung Innsbruck –gedreht wurde das aber anderswo.Constantin
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Auch im Beinahepensionsalter kennt die Rampensau Tom Cruise kein Halten. Doch der siebte Teil seiner „Mission: Impossible“-Reihe zeigt Ermüdungserscheinungen.

He’s got the whole world in his hands: Wenn Ethan Hunt, der allersuperste aller Superagenten, einen güldenen, kreuzförmigen Schlüssel in der Hand hält, der ganz buchstäblich ein Schlüssel zur Macht ist, da er seinem Besitzer die Kontrolle über eine de facto omnipotente KI überantwortet, dann können wir erst einmal aufatmen. Schließlich ist Hunt nicht irgendwer, sondern die wohl einzige zuverlässige moralische Instanz in einer Welt, die immer kurz davor ist, heillos aus den Fugen zu geraten. Was für ein großes Glück, dass es ihn gibt!

Und somit auch seinen bewährten Darsteller Tom Cruise. Dieser hat sich ebenfalls zu einer Art Heiland aufgeschwungen, der zusehends als Retter des wahren, guten und schönen Spektakelkinos in Erscheinung tritt. Spätestens der milliardenschwere Welterfolg seines Fliegerfilms „Top Gun: Maverick“ hat aus Cruise, dem Stehaufmännchen und unermüdlichen Blockbuster-Unterhaltungsgaranten, endgültig Cruise, den Fels in der Brandung der lieb- und leblosen Superhelden-Krawallkanonaden gemacht. Einen, der sich dem drakonischen Diktat der wohlfeilen Digitaleffekte nicht beugt – und uns ein ums andere Mal mit waghalsigen analogen Superstunts in verzücktes Erstaunen versetzt, aus Liebe zu seinem Metier. Ein Kreuzritter des Kinos, von Scientologys’ Gnaden.

Insofern stimmig, dass es Cruise aka Hunt in seinem jüngsten Abenteuer (supersperriger Titel: „Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil eins“) mit einer sinistren künstlichen Intelligenz aufnehmen muss. Die seiner menschlichen Intelligenz natürlich nicht gewachsen ist, gerade weil diese menschlich ist. Das schmeichelt uns ebenso wie dem US-Star, der am Montag 61 wurde. Mit ihm an unserer Seite werden wir den Zeitenwandel überstehen. Und dass Cruise auch im Beinahepensionsalter nicht vorhat, von unserer Seite zu weichen, stellt er im siebten Teil der ungebrochen populären „Mission: Impossible“-Reihe wieder nachdrücklich unter Beweis. Nicht zuletzt mit dem zentralen Husarenstück des Films, einem Motorradklippensprung aus 1200 Metern Seehöhe.

Die minutiöse Planung und tollkühne Ausführung dieser Zirkusnummer war Teil der Werbekampagne von „MI7“. Ein zehnminütiges Video davon wurde in Kinos anstatt eines Trailers gezeigt und auf YouTube gestellt. Ironischerweise wirkt der Rampensprung in die Tiefe eines Steilklippenabgrunds in Norwegen darin atemberaubender als im fertigen Film, auch aufgrund eines „authentischen“ Detailblicks für den technischen und physischen Einsatz aller Beteiligten.

Körperkunst wie bei Buster Keaton

Im Endprodukt hingegen ist der Hüpfer nur ein Augenblick, die Rampe wurde durch einen digitalen Felsvorsprung ersetzt. So weit geht Cruises Analogfetischismus dann doch nicht. Bezeichnend: Das Filmische rund um Cruise ist oft nur noch Beiwerk, eine phantasmatische Rampe für seine Draufgänger-Starpower. In „MI7“ scheint das noch stärker durch als sonst. Weite Strecken der Agentenhatz muten ermattet an, wandeln auf hinlänglich ausgetretenen Genre-Pfaden. Dass sie das mit einem gewissem Gusto tun, macht sie kaum reizvoller – all die Geheimdienstintrigen und Verwirrspiele mit Latexmasken sind längst zur Routine geronnen, auch für Ethan Hunt selbst.

In ebenso zahlreichen wie endlosen Erklärdialogszenen steht Cruise wie verloren da. Nur in den Actionsequenzen leuchten seine (und unsere) Augen auf. Von denen bietet die neue „Mission: Impossible“ immerhin ein paar ergötzliche. Zuvorderst eine gewitzte Verfolgungsjagd durch Rom, in der Hunt und seine Gefährtin, die Diebin Grace (charmant: Hayley Atwell), einen putzigen gelben Fiat durch Rom manövrieren müssen – Purzelbäume inklusive.

Der selbstkarikierende Humor hier ist ein ganz anderer als jener in „Keine Zeit zu sterben“, in dem James Bond im silbrigen Aston Martin durch Matera gebrettert ist. Z. T. erinnert er an die berühmten US-Stummfilmkomiker, Buster Keaton, Harold Lloyd, Charlie Chaplin – allesamt erklärte Vorbilder des Körperkünstlers Cruise. Eine andere starke Spektakelszene serviert dessen Team gegen Ende. Unser Held muss sich darin Waggon für Waggon einen Zug hochhangeln, der eine gesprengte Brücke hinunterstürzt – eine Anspielung auf Keatons Klassiker „The General“.

Dergleichen Action-Akrobatik zählt zu den großen Freuden dieser Filmreihe. Es gibt auch kleine, etwa, wenn eine Frontalkollision einen Haufen Vespas wie blecherne Dominosteine zu Fall bringt. Daher verzeiht man auch, dass der emotionale Überbau des Plots in etwa so solide ist wie ein Kartenhaus.

Worum geht es in „Mission: Impossible“? Um Tom Cruise, ja – aber nicht nur. Ethan Hunt strahlt mehr aus, etwas Messianisches, das in diesem Film bis zu einem russischen U-Boot mit dem symbolischen Namen „Sewastopol“ durchdringt: Ein vager, metapolitischer Glaube an „das Gute“. Und daran, dieses Gute stets schaffen zu können. Auch in letzter Sekunde – selbst wenn alle sagen, es sei unmöglich. Falsch, sagt uns Cruise: Alles ist möglich! Jedenfalls, solang er auf der Leinwand weitersprintet. Und das wird er wohl tun, solang wir ihm dabei zusehen wollen.

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