Elfenbein-Lady

Nicht ein Mann, sondern eine Frau dominierte im Spanien der Kupferzeit

Händlerin? Herrscherin? Priesterin? So stellt sich eine beteiligte Forscherin den Alltag der hochgestellten Frau im alten Iberien vor.
Händlerin? Herrscherin? Priesterin? So stellt sich eine beteiligte Forscherin den Alltag der hochgestellten Frau im alten Iberien vor.Miriam Lucianez Trivino
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Analysen von Zähnen ergaben: Das luxuriöse Grab bei Valencina, das bisher einem „Ivory Man“ zugeschrieben wurde, barg eine Frau. Die Kupferzeit im alten Iberien war wohl weiblich dominiert. Und Cannabis spielte eine Rolle.

Ein großer Keramikteller – übrigens mit Spuren von Wein und Cannabis darauf -, Schalen von Straußeneiern, ein Dolch aus Bergkristall, kostbare Objekte aus Bernstein und Elfenbein, sogar der komplette Stoßzahn eines afrikanischen Elefanten: Es sind auch für heutige Augen beeindruckende Grabbeigaben, die Archäologen 2008 in einer südspanischen Grabstätte bei Valencina (nahe Sevilla) aus der Kupferzeit (3200 bis 2500 v. Chr.) fanden. Offensichtlich eine hochgestellte, wiewohl schon jung (in einem Alter zwischen 17 und 25) gestorbene Persönlichkeit, von der die Forscher bald als „Ivory Man“ sprachen.

Doch nun ergab eine biochemische Analyse: Es war eine „Ivory Lady“. Das berichtet ein Team unter starker österreichischer Beteiligung (Uni Wien, Med-Uni Wien, ÖAW): In Science Advances (6. 7.) schreibt es sogar von „female leadership in Copper Age Iberia“. Diese Frau sei nach heutigem Wissensstand die Person mit dem höchsten sozialen Status auf der ganzen iberischen Halbinsel gewesen. Ihr Grab liegt auffällig zentral in einer 450 Hektar großen megalithischen Struktur, wie sie im prähistorischen Westeuropa häufig war, Stonehenge ist das berühmteste Beispiel. Ganz in der Nähe des Grabes der Elfenbein-Lady fand man einen Tholos, einen runden Grabbau, in dem, ebenfalls mit reichen Beigaben, 25 Menschen begraben waren. Und zwar großteils, wenn nicht ausschließlich Frauen. Das lasen die Forscher allerdings nur aus der Form der Knochen. Und diese morphologische Geschlechtsbestimmung ist recht unzuverlässig.

Im Gegensatz zur Methode, mit der das biologische Geschlecht der „Ivory Lady“ bestimmt wurde. Zwar war es nicht Genanalyse, in dieser heißen Gegend blieb für diese nicht genug DNA erhalten. Aber eine fast genauso exakte Methode: die Analyse von Amelogeninen aus dem Zahnschmelz. Diese Proteine sind nämlich bei Frauen und Männern unterschiedlich, da die Gene, nach deren Bauanleitung sie entstehen, auf dem X- bzw- Y-Chromosom liegen.

Quecksilber überall

Auffällig an den Knochen der Ivory Lady ist der hohe Gehalt an Quecksilber: Sie war offenbar in ihrem kurzen Leben hohen Dosen von Zinnober ausgesetzt, wie auch die im Tholos begrabenen Menschen. Das ist kein Wunder: Diese Kultur betrieb Bergbau, baute neben Kupfer auch Zinnober ab, mit dem sich die Menschen die Kleider, vielleicht auch die Haare färbten.

Was für eine Herrscherin war die Ivory Lady? Kann man in dieser Zeit überhaupt schon von politischer Herrschaft sprechen? Wir wissen nicht viel über die Gesellschaftsform der Kupferzeit. Immerhin war sie organisiert genug, um große Architektur zu ermöglichen. Aus der Tatsache, dass die Kindergräber in Valencina keine Grabbeigaben enthielten, schließen die Forscher kühn, dass Reichtum und sozialer Status damals in Iberien nicht vererbt wurden. So sei auch die Elfenbein-Lady aufgrund ihrer Verdienste oder durch ihr Charisma so bedeutsam geworden. Und das in so jungen Jahren. War sie ganz prosaisch einfach eine Elfenbein-Händlerin? Oder war ihre Rolle religiös oder spirituell geprägt? Waren die 25 Menschen im Tholos vielleicht so etwas wie Priesterinnen? Eine dieser Frauen hatte sechs Zehen: Diese körperliche Besonderheit könnte ihr eine spezielle Stellung beschert haben. Es gibt auch Hinweise darauf, dass diese Frauen mit Rauschmitteln vertraut waren: Bei ihnen wurden Pfeifen mit Cannabisresten gefunden.

Und dann kamen die Reiter

Es wäre voreilig, von einem Matriarchat im alten Spanien zu sprechen. Aber man kann getrost sagen, dass damals zumindest keine patriarchalen Strukturen herrschten, dass Frauen eine große Rolle spielten. Spannend ist auch die Frage, ob und wann sich das änderte. Erschüttert, wenn nicht gar zerstört wurde diese Kultur durch eine große Wanderungsbewegung: Die halbnomadische Jamnaja-Kultur aus der pontischen Steppe - ein Teil der Kurgan-Kultur - breitete sich in Richtung Westen aus, brachte das Rad mit, wohl auch eine Vorform der heutigen indoeuropäischen Sprachen. Genetische Analysen der Y-Chromosomen legen nahe, dass diese Reiter 2500 v. Chr. in Iberien die einheimischen Männer wenn nicht ausrotteten, so doch verdrängten. Die Bronzezeit begann brutal.

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