Theaterkritik

Festspiele Reichenau: Im Halbdunkel der Kapuzinergruft

Problematisches Liebesdreieck: Franz Ferdinand Trotta (Anton Widauer), seine Frau Elisabeth (Lenya Marie Gramß) und deren Freundin Jolanth (Elisa Seydel).
Problematisches Liebesdreieck: Franz Ferdinand Trotta (Anton Widauer), seine Frau Elisabeth (Lenya Marie Gramß) und deren Freundin Jolanth (Elisa Seydel). Lalo Jodlbauer
  • Drucken

Philipp Hauß hat Joseph Roths späten Roman bei den Festspielen Reichenau mit viel Verständnis für die Welt von Gestern inszeniert. Im Ensemble spielt eine Riege von Charakterköpfen.

Der österreichische Dichter Joseph Roth war schon fast am Ende, als er sich im Exil in Paris nach der Flucht vor dem NS-Regime noch einmal gründlich mit dem Untergang des Habsburgerreiches auseinandersetzte. In seinem Meisterwerk „Radetzkymarsch“ hatte er bereits 1932 das Schicksal des kurzlebigen Geschlechts der von Trotta erzählt: Der erste wurde als junger slowenischer Offizier geadelt, weil er in der Schlacht von Solferino dem Kaiser das Leben gerettet hatte . Die Handlung erstreckt sich von 1859 bis zum Ersten Weltkrieg. In „Die Kapuzinergruft“ setzte Roth die Geschichte einer Seitenlinie der Familie von 1913 bis 1938 fort. Das Buch endet 1938 mit dem Anschluss Österreichs an Nazideutschland. Es spielt in Wien, Galizien und Sibirien. Kurz vorm Krieg starb der Schriftsteller an der Trunksucht. Oder sollte man sagen, am Phantomschmerz der verlorenen gegangenen Monarchie? Die Figuren in dem nur 120 Seiten langen Roman leiden fast alle daran.

Bei den Festspielen in Reichenau wurde „Die Kapuzinergruft“ als dritte Premiere der Saison in Szene gesetzt. Nicolaus Hagg hat Roths Text mit viel Verständnis für dessen Welt von Gestern dramatisiert. Zudem wurden auch Motive der Verfilmung „Trotta“ von Johannes Schaaf aus dem Jahre 1970 eingebaut. Burgschauspieler Philipp Hauß führte Regie. Erika Navas kleidete die Darsteller stilsicher ein, als ob sie aus der gut- und großbürgerlichen, auch noch adeligen Verfallszeit kämen. Bernhard Moshammer unterlegte den Abend mit passend nostalgischer Musik, fallweise mit dem Knistern alter Tonträger. Radio Days. Der Geist von Roths Roman wurde alles in allem erfolgreich beschworen, wie sich am Donnerstag in Reichenau erwies, bei der mehr als zweieinhalb Stunden langen Premiere (inklusive Pause).

Ganz der Vergangenheit verfallen

Das liegt vor allem am Ensemble: Anton Widauer als die zentrale Figur Franz Ferdinand Trotta hat als Akteur das Hauptgewicht zu tragen und fungiert zudem subtil als Erzähler. Bravo! Er hinterlässt den passenden Eindruck intensiver Nervosität, wenn er Episoden aus dem Leben dieses nachgeborenen Taugenichts spielt und kommentiert. Dieser Eindruck wird durch Trottas Freunde aus der besseren Gesellschaft (Simon Schofeld, Simon Löcker) noch verstärkt. Umringt ist der Protagonist von einer Riege Charakterköpfen. Einige haben den Elan junger Kräfte aus dem Max Reinhardt Seminar.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.