Pizzicato

Auf der Krim

Wie die Zaren und die KP-Chefs strömen die Russen auf die Schwarzmeer-Halbinsel — trotz des Kriegsgetöses.

Josef Stalin liebte die Sommer im Süden, für Nikita Chruschtschow war es wie eine zweite Heimat, Leonid Breschnew brauste vor Jalta mit Willy Brandt im Motorboot übers Meer, auch Michail Gorbatschow schwärmte von der Heilkraft der Kurbäder. Die Sowjet-Nomenklatura pilgerte im Sommer mit Vorliebe auf die Krim — und fühlte sich wie Gott in Frankreich. Nur dass sie nicht wie die russische Aristokratie einst nach Nizza und an die Côte d’Azur aufbrach, um Luxus und Hedonismus zu frönen.

Wie einst der Adel in der Habsburgermonarchie dem Kaiser in die Sommerfrische nach Bad Ischl und ins Salzkammergut hinterhergereist ist, so folgten die Russen den Zaren und Kreml-Herren in die Ferien. Und nun, da sie – außer in Antalya und Dubai – im Ausland nicht gut gelitten sind und sie in Bali wegen barbarischen Verhaltens hinausfliegen, entdecken sie wieder die gute alte Krim.

Dass die Annexion durch die „grünen Männchen“ anno 2014 illegal war, dass die russische Armee dort ein Bollwerk gegen die ukrainischen Streitkräfte errichtet hat, dass womöglich bald Raketen und Drohnen durch die Luft schwirren werden – all das lässt die Russen kalt, die sich neulich in einer 13 Kilometer langen Autoschlange auf der Brücke in Kertsch auffädelten. Sie lassen den Krieg Krieg sein – und Gott einen guten Mann. (vier)

E-Mails an: thomas.vieregge@diepresse.com

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