Der ökonomische Blick

Salzburgs „Herdprämie“ ist eine schlechte Nachricht für den Arbeitsmarkt

Welche Auswirkungen hätte eine solche Prämie für die Erwerbstätigkeit der Frau, aber auch für die Kinder selber? 
Welche Auswirkungen hätte eine solche Prämie für die Erwerbstätigkeit der Frau, aber auch für die Kinder selber? APA/dpa/Julian Stratenschulte
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Die Salzburger Landesregierung will Familien dabei unterstützen, ihre Kinder familienintern betreuen zu können. Das würde den Arbeitskräftemangel weiter verschärfen, zeigt die internationale Evidenz.

Die Salzburger Landesregierung plant eine „Unterstützung von Familien, die ihre Kinder familienintern betreuen wollen“, (Betreuungsgeld vulgo Herdprämie, siehe Regierungsübereinkommen, S. 34). Begründet wird das mit der Wahlfreiheit der Eltern und der einseitigen Förderung von außerfamiliärer Betreuung. Welche Auswirkungen hat eine solche Herdprämie für die Erwerbstätigkeit der Frau, aber auch für die Kinder selber? Es ist nicht notwendig, darüber zu spekulieren, weil es gibt solide Evaluierungen von ähnlichen Politikmaßnahmen in Deutschland oder Norwegen, die es erlauben, relativ präzise Vorhersagen zu machen.

Was ist der ökonomische Blick?

Jede Woche gestaltet die Nationalökonomische Gesellschaft (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften. Dieser Beitrag ist auch Teil des Defacto Blogs der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an der Central European University (CEU). Die CEU ist seit 2019 in Wien ansässig.

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Theoretisch ist die Wirkung eines solchen Betreuungsgeldes klar: Da es nur bezahlt wird, wenn keine Fremdbetreuung vorliegt, erhöhen sich die Kosten der Fremdbetreuung, sie sollte weniger in Anspruch genommen werden. Ungeklärt ist klarerweise das Ausmaß dieser Änderung, ob formelle Kinderbetreuung (Kinderkrippe) oder informelle Betreuung (etwa Großeltern, etc.) reduziert wird – auch ob die Änderung der Betreuung zu einer Erhöhung der Arbeitsbereitschaft der Mutter führt.

Prämie lässt Erwerbstätigkeit sinken

Gathmann und Sass (2018) untersuchen die Einführung eines solchen Betreuungsgeldes in Thüringen, wo sie einen Vorher-Nachher-Vergleich zusammen mit Vergleichsgruppen in benachbarten ostdeutschen Ländern - wo es kein Betreuungsgeld gab – durchführen können. Die Ergebnisse zeigen, dass das Betreuungsgeld die Inanspruchnahme von Kinderkrippen um acht Prozentpunkte reduziert, die Kinder dann vorzüglich zu Hause betreut werden und die Aufnahme einer Arbeit nach der Geburt verzögert wird. Die Erwerbstätigkeit nimmt in den nächsten Jahren um ca. fünf Prozentpunkte ab. Diese Effekte sind am stärksten bei alleinerziehenden Eltern, sowie bei weniger qualifizierten und weniger verdienenden Eltern. Diese Effekte werden auch von späteren Studien des bayrischen Betreuungsgeldes bestätigt: Die Erwerbstätigkeit nimmt ab, insbesondere bei zugewanderten Müttern (Fendel und Jochimsen, 2023). Ähnliche Ergebnisse zeigen sich auch für Norwegen.

Gathmann und Sass können für 2-3-jährige Kinder auch ihre kognitive und nicht-kognitive Entwicklung untersuchen: motorische Entwicklung, Sprache, soziale Entwicklung, etc. Dabei zeigt sich, dass reduzierte Betreuung in einer öffentlichen Kinderkrippe insbesondere Kindern von weniger qualifizierten Eltern schadet; deren Entwicklung ist also etwas verzögert, während die Entwicklung von Kindern besser gebildeter Eltern kaum beeinflusst sind. Der Grund dürfte sein, dass die „Qualität“ der Kinderbetreuung bei besser gebildeten Eltern oft mindestens so gut wie bei öffentlichen Kinderkrippen ist; das gilt aber nicht für alle Bevölkerungsgruppen.

Auch „Ehegattensplitting“ hilft dem Arbeitsmarkt nicht

Zusammenfassend kann man sagen, dass insbesondere benachteiligte Familien oder Kinder stärker von der Einführung eines Elterngeldes betroffen sind; die Erwerbstätigkeit sinkt stärker und die Heimbetreuung ist auch oft nicht von Vorteil für die Kinder. Wenn es um die Erhöhung des Arbeitskräftepotentials geht, ist sicherlich ein Betreuungsgeld für Heimbetreuung der Kinder keine gute Idee. Wie auch eine andere, nämlich die Einführung des Ehegatten- oder Familiensplitting im Steuerrecht. Von manchen Kreisen wird häufig eine gemeinsame Besteuerung von Ehepaaren gefordert: dabei wird das gesamte Einkommen zusammengezählt, halbiert und der gängige Steuertarif für beide Hälften angewandt. Ein solches Ehegattensplitting, wie in Deutschland, führt bei Paaren mit ungleichen Einkommen – etwa nach der Geburt eines Kindes – zu einem höheren marginalen Steuersatz der Frau, was zu geringerer Erwerbsbeteiligung Anlass gibt. Simulationsstudien zeigen, dass bei Anwendung des deutschen Ehegattensplitting in Österreich die Erwerbstätigkeit von Frauen deutlich zurückgehen würde (Dearing et al. 2007).

Der Autor

Rudolf Winter-Ebmer ist Arbeitsökonom und Vorstand der Kurt Rothschild School of Economics der JKU Linz.

Rudolf Winter-Ebmer
Rudolf Winter-Ebmer

Literatur:

Dearing, Helene, Hofer, Helmut, Lietz, Christine, Winter-Ebmer, Rudolf und Katharina Wrohlich: Why are mothers working longer hours in Austria than in Germany? A comparative microsimulation analysis, Fiscal Studies 28/4, 2007.

Fendel, Tanja und Bete Jochimsen: Betreuungsgeld – familienpolitische Leistung oder Hindernis bei der Arbeitsmarktintegration? Wirtschaftsdienst 103/5, 2023. 

Gathmann, Christina und Björn Sass: Taxing childcare: effects on childcare choices, family labor supply, and children, Journal of Labor Economics, 36/3, 2018.

Regierungsübereinkommen 2023-2028 Salzburg

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