Marie Chouinards neues Stück „M“ ist ein Spektakel purer Lebensfreude.
Was für ein Auftritt! Die Kanadierin Marie Chouinard schickt beim Impulstanz-Festival ihre formidable Compagnie in neonfarbenen Hosen und bunten Perücken auf die Bühne. Erst hört man Regen prasseln – dann kapert eine andere Naturgewalt ihr neuestes Stück „M“: der Atem. In allen erdenklichen Verrenkungen, grimassierend oder mit blitzartig hervorzuckenden Bewegungen, die die Lungenflügel wie einen Blasbalg bedienen, erzeugen die Tänzerinnen und Tänzer den Sound zu diesem Stück selbst.
Dass sie oben ohne ans Werk gehen, betont den mechanischen Vorgang, der sich hinter den Rippenbögen abspielt. Man hört sie schnaufen, quietschen, kehlig grunzen – das klingt nach Freiheit, nach Körpergefühl. Ein herrliches Spektakel der Lebensfreude. Dabei trägt die Compagnie Marie Chouinard wie gewohnt höchste Perfektion zur Schau. Selbst Groteskes – etwa wenn zu unverständlichem Gebrabbel und tierisch anmutenden Geräuschen clownesk getanzt wird – bleibt ein Akt höchster Bühnenkunst, der gleichzeitig Spaß zu machen scheint. Nicht einmal die Männer mit Bart und roter Perücke wirken lächerlich.
Wie menschliche Paradiesvögel
Sie passen perfekt in dieses Grüppchen aus menschlichen Paradiesvögeln, die einander mit ihrem Atem-Sound anfeuern, aber auch Mut zuhauchen oder einfach ein bisschen keppeln. Die Mitglieder dieser extravaganten Gemeinschaft sind stets miteinander in Kontakt, man nimmt aufeinander Bezug, durchlebt gemeinsam emotionale Momente. Es ist ein zutiefst menschliches Geschehen, das Chouinard mit einem Augenzwinkern auf eine völlig leere Bühne stellt. Ihre Kulisse sind Licht und Schatten und Farben. Dazu der Atem. Mehr braucht es nicht. (i. w.)
Weitere Vorstellungen: 14. und 15. Juli, 21 Uhr, Volkstheater